Kongress Interkommunale Zusammenarbeit
Rede des Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch anlässlich des Kongresses zur Interkommunalen Zusammenarbeit
„Interkommunale Zusammenarbeit –
eine Riesenchance für die hessischen Kommunen“
19.April 2007 – Taunusstein
Lieber Herr Kollege Bouffier,
sehr geehrter Herr Bürgermeister, Herr Landrat,
meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die Aufgabe eines Impulsreferats ist immer schon eine Herausforderung durch die Ankündigung, denn man fragt sich, worin dabei die wesentliche Funktion besteht. Da der Terminplan so ist, dass ich Sie bald danach verlassen werde, ist es die einfachste Lösung zu sagen: Man ist dafür bestellt, die anschließende, als noch nicht hinreichend spannend erwartete Podiumsdiskussion mit Themen so zu belegen, dass sie irgendwie kontrovers verläuft. Das ist bei diesem Thema nicht nur deshalb so schwierig, weil diejenigen, die dort auf dem Podium sitzen – Vertreter von Landkreisen, Städten und Gemeinden – allesamt im Streit erfahren sind. Sondern das Thema eignet sich für diese Art von Streit auch deshalb nicht, weil die Diskussion uns genau zum Gegenteil führen muss: hin zu einer verstärkten Zusammenarbeit der Kommunen. Insofern will ich zwar schon ein wenig versuchen zu provozieren – aber auch der Hoffnung Ausdruck geben, dass uns bei der interkommunalen Zusammenarbeit nicht eine neue Auflage eines uns ständig begleitenden Diskussionsschemas unterläuft, das aus Ängsten und Abwehrmechanismen besteht. Nach dem Motto: „Fördert es die Existenz der Landkreise, dann ist es aus der Sicht der Gemeinden schlecht. Gefährdet es in irgendeiner Weise die Existenz der Landkreise, dann ist es aus der Sicht der Landkreise schlecht.“ Es gibt eigentlich kein Thema, das man nicht einer dieser beiden Kategorien zuordnen kann. Aus meiner Sicht ist diese Denkweise, die in den letzten zehn Jahren zunehmend eingekehrt ist, eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einer vernünftigen kommunalen Entwicklung in Hessen, weil sich bei nahezu jeder Kooperation mit einer Institution des Landes – ob Regierung oder Parlament – immer die Frage stellt: „Sollen diese sich mit den Kreisen oder den Städten anlegen?“ Da sie tendenziell immer der Meinung sind, dass sie mit beiden keinen Ärger haben wollen, ist das die beste Voraussetzung für Stillstand. Was kommunale Strukturen aber am allerwenigsten gebrauchen können, ist Stillstand. Und deshalb liegt darin ein zentrales Problem.
Ich möchte gerne damit beginnen zu sagen, dass nach der Auffassung der Landesregierung – und nach meiner persönlichen Auffassung – zwangsweise Veränderungen von Gebietsstrukturen in aller Regel die schlechtere von den denkbaren Lösungen sind. Die örtliche Gemeinschaft und ihre Identität sind schließlich eines der kostbarsten Güter, die wir haben. Wenn diese Identität sich erweitert, wenn es Zusammenschlüsse gibt, wenn man sagt, wir wollen einen gemeinsamen Weg gehen, dann ist das oft ein Zeichen von Weitsicht und Mut. Und das kann, wenn es von innen heraus kommt, sehr wohl neue Strukturen schaffen. Aber viele große Gemeindezusammenschlüsse, die der Gesetzgeber verfügt hat, haben bis heute heftig damit zu kämpfen, in Subsystemen ihre örtliche Identität zu erhalten, und haben bis heute durchaus auch erhebliche Schwierigkeiten, Dinge aufrecht zu erhalten, die zuvor insbesondere im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements selbstverständlich waren. Da bürgerschaftliches Engagement aber oft mehr als die Hälfte der Miete unserer gemeinsamen Arbeit ist – so großartig wir auch all das finden, was wir staatlich organisieren, finanzieren oder verwalten – ist diese Frage von einer erheblichen Bedeutung. Aufgrund dieser Erkenntnis finden Sie in der Arbeit der Landesregierung in den vergangenen Jahren keine Ansätze, zu neuen Gebietszuschnitten auf Landesebene zu gelangen.
Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist – so will es unsere verfassungsmäßige Ordnung, und der können wir uns nicht entziehen – dass eine Verantwortung für die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens auch in der Rechtsetzung besteht. Die Rechtsetzung erfolgt in verschiedenen Bereichen durch den Bund, hier aber in allen wesentlichen uns betreffenden Fragen durch das Landesparlament. Das heißt, es gibt immer eine Konkurrenz zwischen Zuschauen, Freiheit lassen und am Ende einer Verantwortung für den Zustand. Und es gibt deshalb immer einen kritischen Punkt, an dem die Frage entsteht: Kann man noch zuschauen, ohne einzugreifen? Wenn richtig bleibt, dass die Freiwilligkeit der wichtigste Aspekt bei der Organisation eines Gemeinwesens auf seinen unterschiedlichen Ebenen ist, dann gibt es also ein wechselseitiges Verhältnis. Je mehr sich angesichts wandelnder Bedingungen freiwillig verändert, umso geringer ist die Legitimation, auch der Druck, auf einer darüber liegenden Ebene irgendetwas an Strukturen vorzugeben. Und trotzdem erfordert andererseits jede Bereitschaft zur Freiwilligkeit auch gewisse Rahmenbedingungen, um diese Freiwilligkeit leben zu können. Also reden wir natürlich dabei auch immer über Rahmenbedingungen, die der Gesetzgeber schaffen muss, damit das, was man sich freiwillig vorstellen könnte, unter den gegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen möglich ist. Dies ist somit keine Einbahnstraße, auch wenn es in der ersten Stufe – nach dem Motto: „Wir wollen nichts verbindlich machen“ – vielleicht eher eine Zurückhaltung des Landesgesetzgebers geben sollte. Solange die Verantwortlichen auf kommunaler Ebene es eigenständig auf den richtigen Weg bringen, beschränkt sich die Verantwortung des Landesgesetzgebers darauf, alles zu tun, damit die für die freiwillige Umsetzung erforderlichen Werkzeuge zur Verfügung stehen.
Deshalb haben wir in zwei unterschiedlichen Kategorien Gesprächsbedarf: Nämlich einmal in der Kategorie, die sich mit der Frage beschäftigt, wo denn dieser Zeitpunkt ist, an dem es qualitativ umzuspringen droht, dass derjenige mit der Gesamtverantwortung nicht mehr nur zuschauen darf, sondern eingreifen muss. Und auf der anderen Seite, wie denn die Rahmenbedingungen zu gestalten sind, um freiwillige Zusammenarbeit sinnvoll zu organisieren. Und ich denke, wenn man über interkommunale Zusammenarbeit mit den verschiedenen Vertretern des Gemeinwesens – sowohl Bürgermeister und Landräte als auch die vielen Ehrenamtlichen, nicht nur in den Gemeindeparlamenten, sondern auch in Vereinen und sonstigen relevanten Gruppen – redet, dann muss vor allen Dingen versucht werden, die erste Frage einvernehmlich zu klären. Dass es dabei unterschiedliche Dimensionen gibt, kann man leicht erkennen. Das Ballungsraumgesetz, das im Kernbereich der Rhein-Main-Region seine Wirkung zu entfalten hat, ist ja eine klassische Beschreibung dieser Strategie und auch dieses Dilemmas. Auf der einen Seite zu sagen: Es gibt bestimmte Bereiche, da kann man nicht dauerhaft zuschauen, wenn jeder auf seine eigene Weise versucht glücklich zu werden – sondern da ist Gemeinsamkeit notwendig. Auf der anderen Seite wäre es besser, wenn diese Gemeinsamkeit entstünde, ohne dass sich Landesorgane über den exakten Rahmen Gedanken machen müssten.
Letztlich muss man dann auch noch den Unterschied berücksichtigen, ob beispielsweise im Bereich der kulturellen Zusammenarbeit die Bedeutung darin besteht, eine Leuchtturmfunktion für einen Ballungsraum auszuüben – weil diese Region sich nun einmal im internationalen Wettbewerb befindet – oder ob die Bedeutung der kommunalen Zusammenarbeit eher darin besteht, weit entfernt von jeglicher Ballungsregion Aufgaben und Dienstleistungen auf effiziente Weise bereitzustellen. Wir haben also zwei Seiten der Medaille: auf der einen Seite etwas für den Bürger effektiver, wirkungsvoller zu gestalten; und auf der anderen Seite eine effizientere kommunale Leistung zu erbringen, bei der es den Bürger relativ wenig interessiert, wie wir sie erbringen, solange sie nur erbracht wird.
Ich denke, wir müssen, wenn wir über die Form der Zusammenarbeit reden, diese beiden Dinge im Auge behalten. Und sicherlich wird diese Diskussion nicht nur beim gemeinsamen Betrieb von Hallenbädern, wie wir sie ja an der einen oder anderen Stelle schon haben, sondern auch bei anderen öffentlichen Einrichtungen zunehmend Gewicht bekommen. Eine andere Frage ist meiner Meinung nach aber von noch größerer Bedeutung: Wie werden wir in den nächsten Jahren moderne Verwaltungsdienstleistungen erbringen, die immer höhere Ansprüche an Technik und Personal stellen, ohne dazu mehr Mittel zur Verfügung zu haben? Aus meiner Sicht hat das mit der Frage zu tun, die seinerzeit auch hinter der Gebietsreform der 70er Jahre stand – ob man die im Einzelfall für richtig oder falsch hält, ob das hessische Modell richtig oder falsch war, das ist alles Geschichte. Aber die Überlegung, die dahinter stand, war ja nicht, unehrenhaft Leute zu ärgern, sondern die Überlegung ging dahin, welches die betriebswirtschaftliche Mindesteinheit zur Erbringung von Leistungen ist, um Stadtteile zu verwalten, Schwimmbäder zu betreiben und Dienstleistungen zu erbringen. Meine Einschätzung lautet: Für den Landesgesetzgeber wird die Frage der Funktionsfähigkeit kommunaler Organe auch in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten ein beherrschendes Thema sein. Das Entscheidende ist, ob man einen Anlass zum Handeln sieht oder nicht.
Ich persönlich vertrete die These, dass heute prinzipiell keine Gebietsreformen mehr zwingend nötig sind. Und ich vertrete übrigens auch die These, dass, wenn es dennoch eine Gebietsveränderung gibt – wie Sie an einem Beispiel heute Mittag sehen werden – dann müssen beide Gründe zusammenpassen. Dann müssen die Gründe zusammengefügt werden, dass man erstens gemeinsam etwas erbringen kann, was nach außen sichtbar ist – und dass man zweitens betrieblich nach innen etwas optimieren kann. Nur daraus entsteht eine neue Identität. Wenn nur einer der beiden Gründe wirksam wird, wird es sehr schwer, dies öffentlich zu kommunizieren, wobei der betriebswirtschaftliche Grund wahrscheinlich immer noch leichter erklärbar ist als der andere Bereich. Und insofern ist diese Frage natürlich ein Maßstab, der unser Handeln bestimmt. Dies geht mit vielerlei Schwierigkeiten und Konkurrenz einher. Und damit müssen wir uns beschäftigen. Wir als Landesregierung haben ja die Chance, ein Impulsgeber zu sein.
An dieser Stelle erreicht die Diskussion schon sehr schnell die Grenzen dessen, was im Augenblick gedacht und getan wird – also beispielsweise die Standesämter zweier Kommunen zusammenzulegen, im Ausnahmefall auch bestimmte Bereiche der Einwohnermeldeämter. Da wird’s schon schwierig. Ganz extrem sind Teilfunktionen der Bauhöfe (aber nicht etwa die ganzen) – und niemals die Kämmereien. Diese Zurückhaltung verhält sich ziemlich gegenläufig zu dem, was man betriebswirtschaftlich eigentlich auf die Tagesordnung setzen müsste. Da herrscht aus meiner Sicht ein großer Gesprächsbedarf. Denn im Zeitalter der Doppik ist eigentlich eine gewisse Mindesteinwohner- und Umsatzgröße notwendig, um Personal und Technik auf vernünftige Weise effizient vorzuhalten. Vieles davon kann man problemlos zentralisieren. Aber dass ein Bürgermeister keine eigene Kämmerei mehr hat, das ist eine schon intellektuelle und insbesondere emotionale Herausforderung. Und die Frage, was passiert, wenn in zwei kooperierenden Städten mit nur einem gemeinsamen Bauhof sich jeweils zur gleichen Zeit ein Rohrbruch ereignet, kann nächtelang Parlamentsausschüsse beschäftigen. Das ist so. Und trotzdem müssen wir zu einer Stufe kommen, an der wir über die substanziellen Fragen miteinander reden, wenn interkommunale Zusammenarbeit einen Sinn haben soll. Denn so lange wir es nicht schaffen, über die Randbereiche in den Kern vorzudringen, gibt es keine wirksame Alternative. Dadurch löst man kein Problem. Da kann man immer noch sagen: „Das geht doch noch zehn, 15 Jahre gut, denn so tragisch ist es noch nicht. Wir wollen nicht, dass morgen früh schon irgendetwas geschieht.“ Eine derartige Haltung bedeutet allerdings, dass wir die erforderlichen Vorbereitungs- und Entwicklungszeiten für solche Strukturen nicht wahrnehmen, zumal wir aufgrund leerer Stadtkassen gerade jetzt eine gewisse Offenheit gegenüber Umstrukturierungen haben. Deshalb wollen wir als Landesregierung auch jetzt – in dieser Phase – das Gespräch mit Ihnen suchen.
Es stellt sich natürlich die Frage, was wir als Landesregierung zu dieser Diskussion beizutragen haben. Ich weiß sehr wohl, dass solche Diskussionen mit Emotionalitäten, manchmal Rivalitäten, manchmal auch Eitelkeiten verbunden sind – nicht alle Fragen sind so einfach zu lösen wie die Konflikte zwischen Frankfurt und Offenbach. Man muss zugeben, dass es dabei nicht nur Sachthemen gibt. Und ich weiß, dass es deshalb von außerordentlich großer Bedeutung ist, ob es Modellprojekte gibt. Ob es die ersten gibt, die bereit sind, irgendwo vorauszugehen. Wir müssen die richtigen Akteure finden, die Tabus oder Wände durchbrechen und bereit sind, in ihren Körperschaften Neues durchzusetzen. Da gibt es viele Ansprüche. Mir ist aber aus den Diskussionen auch klar, dass dann, wenn jemand auf dem Weg ist, er natürlich auch vor einer Palisadenwand von Problemen steht. Und deshalb müssen wir in dieser Phase, in der wir jetzt sind – in der niemand zu sagen braucht: „Da wird irgendetwas mit Druck gemacht“ – sehr ernsthaft darüber reden, was an geeigneten Rahmenbedingungen, an Hilfe und Unterstützung gebraucht wird.
Da gibt es ein paar Probleme, die offensichtlich auf der Hand liegen: Das europäische Vergaberecht gehört zu den „lustvollen“ davon. Unter dem Gesichtspunkt, dass wir im Augenblick auf einem Weg sind, den wir weiter verfestigen müssen: Es muss in der Europäischen Union klar sein, dass es keine europaweite Ausschreibung, sondern einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geben muss, wenn eine Gemeinde eine Nachbargemeinde um die Übernahme der Kämmerei bittet. So sehen wir das jedenfalls. Wir glauben, dass das auch unter den derzeit geltenden Rechtsvorschriften durchaus durchsetzbar und exekutierbar ist. Wir wissen, dass zusätzliche Sicherheiten da helfen können. Das ist ein Thema, über das man sprechen muss – und auch darüber, wie wir die rechtlichen Bedingungen kommunaler Zusammenarbeit verbessern können, um es den Theoretikern europäischen Rechts an dieser Stelle schwieriger zu machen, uns Steine in den Weg zu legen. Das ist ein Punkt, über den heute noch zu diskutieren sein wird.
Noch weitere Dinge gelten gelegentlich als Hürde, zum Beispiel bei der Frage nach einem gemeinsamen Ordnungsamtsbezirk – ein beliebtes Thema in vielen Briefwechseln. Nach unserer Auffassung gibt es da eigentlich keine Probleme mehr. Bis dann ein findiger Mensch die Frage nach dem Datenschutz stellt: Ob, wenn der Beamte der Nachbargemeinde Daten der anderen Gemeinde liest, dies ein Verstoß gegen das Datenschutzgesetz sein könnte? Auf den Gedanken muss man erst einmal kommen! Aber möglicherweise muss das gesetzlich geregelt werden. Schließlich können wir nicht jedem Einzelnen zumuten, sich bei der gemeinsamen Einziehung der Gewerbesteuer immer wieder neu die Frage zu stellen, ob die Nachbarkämmerei möglicherweise ein Dritter im Sinne des Gesetzes ist und somit keinen Zugang zu den Daten des Steuerpflichtigen haben darf. Das muss ein für alle Mal geklärt werden. Und insofern meine ich, dass die heutige Tagung auch dazu dienen soll und dienen muss, dass wir eine größere Übereinstimmung darin bekommen, wo noch Klärungsbedarf besteht. Wir sind uns gemeinsam sehr bewusst, dass es uns nicht passieren darf, dass am Ende drei Gemeinden etwas zusammen gemacht haben, was dann nach europäischem Recht zur Aufhebung, Kommissionsverfahren oder anderem führt. Wir haben keine Lust, dass Maßnahmen zur Zusammenlegung von Steuerverwaltungen einschlafen, weil die Datenschutzprobleme nicht geklärt sind. Wir als Landesregierung wissen, dass jeder, der sich in die substanzielleren Bereiche der interkommunalen Zusammenarbeit begibt, auch einen Anspruch darauf hat, dass wir ihn begleiten.
Kollege Volker Bouffier und ich haben deshalb auch im Vorfeld darüber gesprochen und machen Ihnen gerne das Angebot, im Hessischen Innenministerium zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit den Spitzenverbänden und deren Beauftragten einzuladen, um über die Frage zu beraten, wie wir weiter vorgehen sollten. Was sind die Punkte, bei denen ein Änderungsbedarf besteht, den wir hoffentlich als Landesgesetzgeber, falls nötig auch als Bundesgesetzgeber über den Bundesrat oder möglicherweise auch durch untergesetzliche Rechtsvorschriften regeln können? Wenn es denn wirklich ein nachhaltiges Interesse von Ihrer Seite gibt, dann kann aus meiner Sicht genauso in der Hessischen Landesregierung ein Kompetenzzentrum für interkommunale Zusammenarbeit entstehen, wie wir bereits ein Kompetenzzentrum für „Public Private Partnership“-Projekte im Finanzressort mit entwickelt haben. Entsprechend diesem Vorbild wollen wir sozusagen Dienstleister dafür sein, dass diese Projekte völlig unbeeinflusst von einer Vorgabe – nach dem Motto: „Das muss gemacht werden“ – verwirklicht werden können.
Ich glaube, zu einem solchen Zustand müssen wir kommen. Das ist unser Angebot an Sie, mit Ihnen zusammen eine gemeinsame Arbeitsebene zu schaffen, auf der die Realisierbarkeit der Projekte berechenbar wird. Und dass wir zum anderen eine Verabredung darüber treffen können, wie wir es denn schaffen, auch eine Öffentlichkeit dafür zu finden. Staatsminister Bouffier hat darüber gesprochen, was die Kommunalparlamentarier angeht – dass dies nicht als ein „Spleen von ein paar Verrückten“ aufgefasst wird, die dauernd etwas ändern wollen, obwohl doch alles so schön ist; sondern dass es ein notwendiges Bedürfnis aller Beteiligten im Sinne verantwortlicher Vorsorge ist. Und ich glaube, dass man diese Notwendigkeit durchaus vermitteln kann. Ich denke auch, dass es sich nicht um einen Bürokratie- oder Perfektionismuswahn handelt, wenn man eben sagt, dass zwar natürlich Gemeinden, die heute 20.000, 25.000 oder 30.000 Einwohner haben, viele dieser Dinge auf lange Zeit weiterhin für sich alleine erledigen werden können – je mehr Gewerbesteuer desto besser. Aber die Tatsache, dass wir eine nennenswerte Zahl von Gemeinden haben, die deutlich unter 15.000 und 10.000 Einwohner verzeichnen, rechtfertigt es schon, auch einmal über örtliche Identitäten und Strukturen nachzudenken – was am Ende dazu führen kann, dass eine kleine Gemeinde mit einer größeren Nachbargemeinde bestimmte Verträge und Vereinbarungen trifft oder ähnliches.
Da kann es theoretisch sogar sein, dass sich dann am Ende eine Vielzahl von Gemeinden für etwas zusammenschließt, bei dem sich der jeweilige Landrat verwundert fragt, ob er das nicht auch mit seiner Behörde hätte abdecken können. Das kann ich nicht beurteilen. Diese Debatte muss ihren gewissen Lauf, ihre Freiheit und ihre Entwicklung haben. Es spricht vieles dafür, dass dies ein Problem der jeweiligen Nach-Nachfolger der jetzigen Amtsinhaber ist, als dass es heute schon eine ernsthafte „Bedrohung“ werden könnte. Insofern darf man kleinere Schritte in die richtige Richtung nicht behindern. Und das ist eigentlich die Botschaft, die wir als Landesregierung, wie auch ich persönlich, mit diesem Kongress verbinden wollen. Wir müssen kleine Schritte beginnen. Und die kleinen Schritte müssen ein bisschen größer werden als es die kleinen Schritte in der letzten Zeit waren. Nicht mehr und nicht weniger. Und wenn wir dabei helfen können, diese kleinen Schritte ein wenig größer zu machen, dann bieten wir jede denkbare Form der Hilfe dazu an. Aber wir sind davon überzeugt, dass die Legitimation eines solchen Verfahrens darin liegt, dass nicht wir als Landesregierung Druck zu machen beginnen, sondern vor Ort einige es als ihr Interesse erklären, weil die dort Betroffenen zu der Überzeugung gelangt sind, dass es klug ist, wenn man mit der Nachbarkommune kooperiert. Sonst könnten wir es nämlich auch gleich per Gesetz beschließen. Diese Freiwilligkeit macht nur einen Sinn, wenn man sich mit dem Projekt identifiziert. Bitte seien wir uns im Klaren darüber, dass das nicht immer nur eine Frage der Anderen ist. Auch unter den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern glaubt man natürlich, möglichst lange alles selbst machen zu können, und eigentlich hält man es nach wie vor für eine gewisse Bedrohung, wenn Dienstleistungen ausgelagert werden. Deshalb versucht so mancher, den Zeitpunkt hinauszuzögern, an dem das Thema auf die Tagesordnung kommt. Das ist normal. Das machen Bundesländer untereinander gelegentlich auch, das soll auch sonst im Leben vorkommen.
Es ist unsere gemeinsame Verpflichtung, im Diskutieren miteinander – auch mit den Nachbarn, die man jeweils hat – zu versuchen, den Punkt zu finden, wo diese berechtigte persönliche Einstellung etwas gefährdet, was man eigentlich seiner Nachfolgerin oder seinem Nachfolger nicht zumuten will. Und diesen Punkt gibt es. Wo der ist, das wird in jeder Gemeinde anders sein. Aber er gehört auf den Radarschirm des Entscheiders – was möglicherweise ein Stück Unbequemlichkeit bedeutet, was aber auch sicherstellt, dass den Nachfolgern der nächsten und übernächsten Generation noch genügend Entscheidungsfreiheit gewährleistet wird. Nur wenn wir so an die Frage der interkommunalen Zusammenarbeit herangehen, behalten wir zweierlei: nämlich einerseits die Gelassenheit, dies nicht als einen neuen Zwang und als eine Veränderung, die Panik auslöst, zu betrachten; aber auf der anderen Seite als eine notwendige Veränderung im Laufe der Zeit, der wir uns nicht entziehen können. Und ich hoffe, dass auf dieser Basis alle Beteiligten an einem Strang ziehen – jenseits politischer Fronten, die Gott sei Dank in dieser Frage nicht bestehen – und wir ein Stück weiterkommen. Der Kongress ist ein Angebot an Sie, sich zusammenzufinden und darüber zu diskutieren. Aber er ist vor allen Dingen ein Angebot von uns, der Landesregierung, zuzuhören und zu lernen, was, wenn Sie denn das Prinzip teilen, Sie von uns brauchen, um es im wirklichen Leben realisieren zu können. In diesem Sinne wünsche ich dieser Tagung einen erfolgreichen Verlauf, gute Ideen und am Ende der Veranstaltung einen gemeinsamen Weg, wie wir das Gespräch fortsetzen, damit die vielen Kongresse, die ja stattfinden müssen – bis 2011, 2013 oder danach – nicht jeweils losgelöste Ereignisse, sondern Bestandsanalysen eines kontinuierlichen Prozesses werden. Denn nur so werden Veranstaltungen dieser Art zum Gelingen der interkommunalen Zusammenarbeit beitragen.
Herzlichen Dank, dass Sie daran teilnehmen – und viel Erfolg bei der Arbeit!