Koch: „Hessen ist Konjunkturlokomotive in Deutschland“
Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit dem „Hessen Kurier“
Hessen Kurier: Herr Koch, in Ihrer Neujahrsansprache werben Sie um Mitarbeit der Bürger bei der Gestaltung der Zukunft Hessens – warum?
Roland Koch: Die Bürger in unserem Land blicken zunehmend wieder hoffnungsvoll in die Zukunft, Optimismus verdrängt die verständliche Sorge der vergangenen Jahre, beispielsweise um den eigenen Arbeitsplatz oder den Ausbildungsplatz der Kinder. In einer Phase des Aufschwungs sind die Menschen eher bereit, sich mit Ideen und Visionen an der Gestaltung der Zukunft zu beteiligen. Dazu gehört auch die zunehmende Erkenntnis, dass sich in Deutschland noch einiges ändern muss und dass der Staat heute nicht mehr die Leistungen bringen kann wie noch vor 30 Jahren.
Hessen Kurier: Das heißt auch mehr Eigenverantwortung?
Koch: Wir müssen davon wegkommen, dass die Bürger die Übernahme von Eigenverantwortung automatisch als Zumutung begreifen. Es ist eine normale Reaktion, im ersten Moment mit dem Kopf zu schütteln, wenn man auf lieb gewonnene und für selbstverständlich gehaltene Dinge verzichten muss. Aber was wären die Alternativen? Höhere Verschuldung, weniger Arbeit in Deutschland?
Deswegen müssen wir Risiken eingehen, weil nur dann das Ziel, allen mehr Sicherheit und persönliches Wohlergehen zu geben, erreichbar ist. Die Gesellschaft muss begreifen, dass sie nur durch die Anstrengungen jedes Einzelnen Fortschritte gewinnt, dass keiner in einer modernen Gesellschaft das Recht hat, sich auf den anderen zu verlassen. Eigenverantwortung heißt, das Bestmögliche zu geben, ob als Unternehmer oder Arbeitnehmer. Denn dann wird es allen auf Dauer besser gehen.
Hessen Kurier: Sind die Menschen in Hessen dafür bereit?
Koch: Hessen wächst und die Menschen spüren das. Wir sind heute Konjunkturlokomotive bei der bundesweiten Entwicklung. Hessen belegte im Jahr 2006 bei der Arbeitsproduktivität wieder den Spitzenplatz unter den Flächenländern: Jeder Erwerbstätige in Hessen trug 2006 mit 67.000 Euro zum Bruttoinlands produkt bei, gegenüber 59.000 Euro im Durchschnitt aller Länder. Für das Jahr 2007 erwarten wir, dass Hessen mit +1,7 Prozent stärker wächst als der Bundesdurchschnitt (+1,4 Prozent). Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse im Rhein-Main-Gebiet wird laut IHK Frankfurt bis zum Jahresende 2007 auf 1,9 Millionen ansteigen. Das sind 11.800 zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse. In Nordhessen ist die Arbeitsplatzentwicklung schon seit längerem nicht nur über dem Bundes- und Landesdurchschnitt, sondern vor allem weitaus besser als in den Nachbarregionen in Südniedersachsen und Ostwestfalen. Die hessischen Unternehmen gehen optimistisch ins neue Jahr, die Investitionsbereitschaft ist so hoch wie seit sieben Jahren nicht mehr und der IHKGe schäfts klimain dikator hat zum Jahreswechsel im Vergleich zum Herbst um fast acht Punkte zugelegt. Wenn ich mir diese hoffnungsvollen Signale betrachte, komme ich zu dem Schluss, dass die Menschen bereit sind, auch etwas zu wagen, weil am Ende alle von dieser Entwicklung profitieren.
Hessen Kurier: Ist die Entwicklung am hessischen Arbeitsmarkt Ausdruck davon?
Koch: Auf jeden Fall. Es sind in 2007 fast 45.000 Menschen mehr in Arbeit als noch vor einem Jahr. Zum ersten Mal seit 1960 sind die Arbeitslosenzahlen in Hessen im Vergleich zum Vorjahr in dieser Größenordnung gesunken. Wenn in Hessen die Arbeitslosenquote im
Vergleich zum Vorjahr von 10,1 auf 8,5 Prozent zurückgegangen ist, gibt
das doch Anlass zu Optimismus. Auch auf dem Ausbildungsmarkt ist die Entwicklung positiv. Im IHK-Bereich Frankfurt wurde zu Ende September 2006 bei den Neuverträgen ein Zuwachs von fast 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erzielt. Das zeigt, wie eng der Zusammenhang von Arbeits- und Ausbildungsstellenmarkt ist.
Hessen Kurier: … und in der Finanzpolitik?
Koch: Hier zahlen sich unsere mutigen Entscheidungen der vergangenen Jahre immer stärker aus. Die Nettoneuverschuldung 2007 sinkt um 500 Millionen Euro. Der Haushalt ist bereits im Planansatz nicht nur verfassungsgemäß, sondern genügt der engen hessischen Selbstbindung. Die Operation „Sichere Zukunft“, mittels der wir erhebliche Einsparmaßnahmen vorgenommen haben, zahlt sich Jahr für Jahr mehr aus: Die dauerhafte Entlastung der Haushalte beträgt jedes Jahr mehr als 600 Millionen Euro. Ohne die Operation Sichere Zukunft läge die Nettoneuverschuldung jeweils um diesen Betrag höher. Diesen Trend
konnten wir in 2006 fortsetzen. Wir bleiben bei unserem Kurs, konsequent zu sparen und sinnvoll zu investieren, auch wenn das unbequem ist, ist es verantwortungsbewusst.
Hessen Kurier: Ist das der Politikstil, mit dem Sie die Bürger Hessens bei der Landtagswahl in einem Jahr überzeugen wollen?
Koch: Wir haben all die wichtigen Dinge umgesetzt, die wir versprochen haben. Wir haben dafür gesorgt, dass die Menschen sich immer sicherer fühlen können, indem wir schon in 2006 eine Rekordaufklärungsquote vorgelegt haben. Diese konnten wir von 2006 auf 2007 noch weiter verbessern auf über 55 Prozent und die Kriminalität ist weiter zurückgegangen. Das ist seit 1945 in Hessen noch nie da gewesen. Insbesondere haben wir die Kriminalität zurückgedrängt, die die Menschen besonders belastet. So ist seit 1999 die Zahl der Wohnungseinbrüche nahezu halbiert worden. Auch die sogenannte Straßenkriminalität ist gegenüber dem Vorjahr erheblich zurückgegangen, und zwar um 6,7 Prozent.
In den Schulen ist die „Unterrichtsgarantie Plus“ erfolgreich angelaufen und zahlt sich aus. Zwar ärgert es uns, wenn es hier und da mal einen negativen Einzelfall gibt und darüber in der Lokalzeitung berichtet wird, aber dass rund 12.000 Vertretungslehrer dafür sorgen, dass Kinder nicht vorzeitig heimgeschickt werden und Schule verlässlich ist, wird von den Eltern längst anerkannt. Dass das für unsere Schulleiter durchaus mit Aufwand und mehr Verantwortung verbunden ist, ist mir dabei bewusst, das erkenne ich ausdrücklich an.
Hessen Kurier: Gilt das auch für die hessische Wirtschaft?
Koch: Gerade dort! Die Wirtschaft läuft bei uns besser. Wir investieren 2007 85 Millionen Euro in die Verkehrsinfrastruktur und 2008 wird diese Summe um weitere 15 Millionen auf 100 Millionen Euro ansteigen. Das ist viermal so viel, wie Rot-Grün in diesen Bereich 1998 gegeben hat, damals waren es gerade mal 28 Millionen Euro. Wir wissen, dass Straßen- und Flughafenausbau die Grundvoraussetzungen sind, damit sich Unternehmen in Hessen ansiedeln und neue Arbeitsplätze entstehen. Da geht alles in die richtige Richtung, könnte aber ohne Klagen schneller sein. Aber es läuft.
Hessen Kurier: Auch beim Ausbau des Frankfurter Flughafens?
Koch: Ja, sicher. Der Ausbau des Frankfurter Flughafens ist ein gutes Beispiel dafür, warum saubere Planung, verlässliche Aussagen und hohe Kompetenz aller Verantwortlichen sich auszahlen. Mit der Einigung zwischen dem Chemiewerk Ticona und der Fraport haben wir die wichtigste Hürde zum Ausbau des Flughafens genommen und den Bedenkenträgern den Wind aus den Segeln. Jetzt ist das Ziel, möglichst rasch Zehntausende neue Arbeitsplätze für die Menschen in der Region und die Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit schaffen zu können, wesentlich näher gerückt.
Hessen Kurier: Das klingt, als gingen Sie zuversichtlich in dieses Vorwahljahr 2007?
Koch: Ich gehe in dieses Jahr mit dem Wissen, dass die Mehrheiten in Hessen nicht selbstverständlich und hart umkämpft sind. Allerdings gibt es Signale, die unseren Kurs für Hessen bestätigen. Ob das nun die Kommunalwahl ist, aus der wir 2006 erstmals nach 25 Jahren wieder als stärkste Kraft hervorgegangen sind oder das großartige Wahlergebnis für Petra Roth, die in Frankfurt am 28. Januar 2007 zum dritten Mal mit ihrem besten Ergebnis zur Oberbürgermeisterin gewählt wurde. Das zeigt doch: Die Menschen in Hessen vertrauen uns, wir halten offensichtlich den richtigen Kurs.
Hessen Kurier: Auf welchem Weg sehen Sie Rot-Grün in Hessen?
Koch: Sowohl SPD als auch Grüne sind auf dem Weg nach ganz links. Mit Al-Wazir und Ypsilanti schickt sich in Hessen wieder ein Lager an, das sich, ohne realistische Alternativen vorweisen zu können, gegen den Einsatz von Kernenergie stellt. Ginge es nach Frau Ypsilanti, würde die hessische Landschaft mit 1.700 Windrädern verschandelt. In der Bildungspolitik lässt sie wie in den 80er Jahren das Damoklesschwert der Einheitsschule schweben. Sie hat sich für den Weg ganz nach linksaußen entschieden und dort werden wir sie stellen. Und durchaus auch mit neuen Akzenten auf unseren eingeschlagenen Erfolgsweg setzen.
Hessen Kurier: Das heißt, mit der CDU geht es Hessen besser?
Koch: Ja, und ich hoffe, dass wir mit einer Erfolgsbilanz auch die hessischen Wähle rin nen und Wähler in 2008 wieder überzeugen können. Wir werden die begonnen Projekte erfolgreich zu Ende bringen, auch wenn das in einigen Bereichen für die Menschen Umgewöhnung bedeutet. Ob unsere Schwerpunktthemen Bildung, Wirtschaft, Verkehrsinfrastruktur und innere Sicherheit oder andere Fragen. Wir werden die Dinge in gewohnter Art und Weise anpacken und genau sagen, welche Zukunftsentwürfe wir haben.
Das Interview führte Esther Petry