Koch: „Es handelt sich eher um eine Provinzposse statt um eine Frage nationaler Politik.“
Ministerpräsident Roland Koch im Interview mit „Welt.de“
WELT.de: Herr Ministerpräsident, die Freie Wählergemeinschaft (FWG) wirft Ihnen vor, Sie hätten sie zu bestechen versucht. Konnten Sie heute die Vorwürfe vor dem Parlamentsausschuss entkräften?
Roland Koch: Ich habe dem Ausschuss deutlich gemacht, dass es nicht darum geht, ob am 3. April erstmals über die Kommunalfinanzen der FWG gesprochen wurde, sondern dass es über mehrere Jahre Diskussionen zwischen der CDU, anderen Parteien und der FWG-Führung gegeben hat. Deshalb ist die Behauptung, es hätte dort am Ende einen Versuch des Stimmenkaufs gegeben, bei Betrachtung der vielen Termine und Gespräche absurd. Allein der Gesetzentwurf lag schon seit einem Dreivierteljahr vor. Ich denke, das haben die meisten Beobachter nun anerkannt. Zumal, da die FDP meine Position voll bestätigt und die FWG-Spitze selbst inzwischen zurückrudert. Der rot-grüne Ballon ist geplatzt.
WELT.de: Sie haben angedeutet, dass auch die SPD über dieses Thema mit der FWG gesprochen habe.
Koch: Grundlage aller unserer Gespräche war das Verfassungsgerichtsurteil von 1992, das eine Doppelfinanzierung von Parteien auf kommunaler und Landesebene verbietet. Das bereitet den Freien Wählern, die meist nur kommunal aktiv sind, Probleme. Weil wir das wussten, haben wir in Hessen darüber früh Gespräche aufgenommen. Wir haben immer der FWG-Spitze deutlich gemacht, dass eine breite Mehrheit des Parlaments hinter einer Änderung stehen müsse und sie sich diese breite Mehrheit selbst besorgen müsse.
WELT.de: Hat sie das Ihres Wissens getan?
Koch: In diesem Zusammenhang hat es offenkundig auch Gespräche mit der SPD gegeben. Die SPD hat der FWG einen schriftlichen Beschluss mit einem Votum zur Frage der Kommunalfinanzierung übergeben, über das Faxgerät der SPD-Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti. Die FWG-Führung hat auch außerordentlich intensiv mit der FDP gesprochen. Die FWG hat dies am Mittwoch auch noch mal in einer Pressemeldung klargestellt, dass sie mit allen Parteien über diese Frage diskutiert hat.
WELT.de: Ist dies alles nur inszeniert, um Ihnen vor Ihrer geplanten Wahl zum CDU-Bundesvize zu schaden?
Koch: Es handelt sich eher um eine Provinzposse statt um eine Frage nationaler Politik. Die FWG hatte ihre jährliche Mitgliederversammlung, auf der der neue Vorsitzende unbedingt gegen erhebliche Bedenken die Landtagskandidatur beschließen lassen wollte. Ob er aus Rache gehandelt hat, weil die CDU ihn nicht als Bürgermeisterkandidaten aufgestellt hat – ich weiß es nicht. Jedenfalls hat er die falschen Behauptungen über Gespräche mit der CDU offensichtlich dazu benutzt, eine knappe Mehrheit der FWG von der Landtagskandidatur zu überzeugen.
WELT.de: Auch wenn die FWG bei der Landtagswahl nicht viele Stimmen bekommt, könnten es doch die entscheidenden sein, die Sie Ihre absolute Mehrheit in Hessen kosten.
Koch: Das Tragische ist, dass wir in Hessen als Einzige in Deutschland den Versuch gemacht haben, für die Freien Wähler einen kommunalen Boden zu schaffen, der mit einer ordentlichen Finanzierung ausgestattet ist. Durch die Kandidatur bei den Landtagswahlen wird dies jetzt nicht möglich sein. Aber in den Landtag wird die FWG-Spitze ganz sicher nicht kommen, in Rheinland-Pfalz hat sie immer ein bis zwei Prozent bekommen.
WELT.de: Auch ein geringer Stimmenanteil für die FWG könnte der sein, der die CDU die Mehrheit kostet.
Koch: Es wird nicht wahlentscheidend sein. Der Schaden für die beiden großen Parteien ist deutlich geringer, als er für die Freien Wähler sein wird. Die Zweifel an der Seriosität der derzeitigen FWG-Spitze dürften seit gestern erheblich sein.
WELT.de: Inhaltlich sind Sie sich nah?
Koch: Die FWG ist landespolitisch nicht aufgestellt. Sie ist ein Zusammenschluss von Menschen mit sehr unterschiedlicher Auffassung von Politik. Wenn die Opposition nicht mit einem Untersuchungsausschuss eine fortwährende Kampagne für die FWG macht, wird es auch eine ganz normale Landtagswahl bleiben.
WELT.de: Verbindet Sie eine Männerfeindschaft mit FWG-Chef Braun?
Koch: Dazu haben wir uns zu selten gesehen. Ich kann mir die Verhaltensweise nur in einem gewaltigen Maß an Frustration über die CDU erklären. Ob er da mich meint oder nicht, weiß ich nicht. Er wollte vor drei Jahren CDU-Bürgermeister werden. Das hat nicht geklappt. Nun hat er eine rasante Karriere bei der FWG gemacht, auch weil er schnell und gern polarisiert.