Fördertag der Landestreuhandstelle und der Investitionsbank Hessen
Ministerpräsident Roland Koch zum Fördertag der Landestreuhandstelle und der Investitionsbank Hessen
Sehr verehrte Damen und Herren,
verehrte Kolleginnen und Kollegen, Abgeordnete des Hessischen Landtages,
ich freue mich, dass ich die Gelegenheit habe, aus Anlass des heutigen Fördertages zu Ihnen zu sprechen. Aber ich freue mich noch viel mehr, dass es ihn überhaupt gibt, weil ich in der Tat glaube, dass es eine richtige Entscheidung der beiden monetären Förderinstitute im Einflussbereich der Hessischen Landesregierung und der hessischen Politik ist, gemeinsam im Bewusstsein ihrer abgegrenzten Aufgaben eine solche Veranstaltung heute auszurichten.
Es ist ja eine berechtigte Frage, warum man nach 60 Jahren, die wir als Landesjubiläum in diesem Jahr feiern, auf die Idee kommt, zum ersten Mal einen Fördertag zu veranstalten. Die Welt hat sich in dieser Zeit verändert – auch die Bereiche, die eine Förderung benötigen. Wir haben in den Zeiten der wirtschaftlichen Entwicklung Hessens unter Ministerpräsident Georg August Zinn mit dem Slogan, der politisch und parteipolitisch verbindend „Hessen vorn“ hieß, eine Situation ausgenutzt, die sich zu einem beachtlichen Teil aus unserer Zentralität ergab. Es war historisch gesehen außerordentlich wichtig, bestimmte Funktionen nahe beieinander zu haben, infrastrukturell zu vernetzen und andere Standorte möglichst günstig mit angemessenen Verkehrsmitteln erreichen zu können. Ich will nicht behaupten, dass das heute unwichtig ist, aber es ist in einer Zeit der elektronischen Vernetzung, in einer Zeit der wesentlich verbesserten Verkehrsinfrastruktur nicht mehr ein ganz so gewaltiges Alleinstellungsmerkmal, wie es damals war. Das bezieht sich nicht auf den engeren Umkreis von fünf Kilometern um den Rhein-Main-Flughafen, sondern das betrifft im Großen und Ganzen unser gesamtes Bundesland Hessen – und durchaus einige Nachbarn um uns herum, die genauso von dieser Zentralität profitiert haben.
Wir haben es dabei im täglichen Geschäft mit unseren beiden süddeutschen Nachbarländern als Wettbewerbern zu tun. Das bedeutet nicht, dass es keine Ansiedlungen in Rheinland-Pfalz oder Thüringen oder Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen gäbe. Aber quantitativ ist die Entscheidung derjenigen, die neue Plätze in Deutschland suchen, eben oft sehr zentral auf diese drei Bundesländer – Baden-Württemberg, Bayern und Hessen – beschränkt. Die Mentalität, sich über das Fördern Gedanken zu machen, ist bei unseren bayerischen Nachbarn sehr viel weiter verbreitet als bei uns oder anderswo in Deutschland. Die Bayern hätten niemals das erreicht, was sie heute an ökonomischem Erfolg vorzuzeigen haben, wenn sie sich nicht intensiv mit ihrer Förderpolitik beschäftigt hätten.
Wenn die hessischen Wirtschaftszahlen im Augenblick durchaus gut aussehen, dann liegt das in den letzten zwei, drei Jahren nicht so sehr an der Prosperität des Finanz- und Bankenplatzes Frankfurt. Dieser befindet sich gerade in einer historischen Konsolidierungsphase. Zwar gibt es dort bereits wieder eine Aufwärtsbewegung, aber Konsolidierungsphasen treten historisch gesehen nun einmal auf und bleiben nicht ohne Folgen – wenn auch nur vorübergehend. Wir dürfen nie vergessen, dass am Standort New York zwischen 1993 und 1998 etwa 50 % der Bankenarbeitsplätze verschwunden sind, dennoch heute am Finanzplatz New York mehr Menschen arbeiten als damals. In Frankfurt vollziehen wir diese Entwicklung im Augenblick, was den Umfang und das Ausmaß betrifft, sehr viel flacher nach. Es werden keine 50 % der Arbeitsplätze verschwinden, aber es ist eine viel größere Zahl verschwunden als uns lieb ist.
Ein nicht unerheblicher Teil der stabilen Wirtschaftsentwicklung Hessens ist in den vergangenen Jahren dagegen aus Nordhessen gekommen. Auf den Arbeitsplatzaufbau nach der Öffnung der Grenzen folgte dort eben nicht wieder ein zügiger Abbau von Arbeitsplätzen, wie das etwa überdimensional schnell in Südhessen passiert ist. Darin steckt ja durchaus eine gewichtige Botschaft: Dass nämlich auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten offensichtlich neue Unternehmen sich entscheiden, den Wirtschaftsstandort Nordhessen aufzusuchen und sich dort niederzulassen. Das können wir ganz hautnah feststellen. Wenn ich den Kollegen Dieter Posch hier sehe, dann erinnere ich mich sehr gut, wie wir gemeinsam die Entscheidungen zur Errichtung des Güterverkehrszentrums in Kassel zu kommentieren hatten. Uns ist damals erklärt worden, daran würde sich niemals eine nennenswerte Zahl von Unternehmen beteiligen. Heute gibt es dort bereits deutlich über 1.000 Arbeitsplätze, und wir werden in den kommenden Jahren eine weitere positive Entwicklung bis hin zur Vollauslastung dieses Gebietes erleben. Inzwischen sind fünf solcher Zentren für die Ansammlung von Logistikunternehmen in den dortigen Landkreisen ausgewiesen, weil es aufgrund der zentralen Lage in Deutschland und der hervorragenden Verkehrsanbindung dort eben den entsprechenden Bedarf gibt. Die Entwicklung, die dort vonstatten geht, lebt also immer noch von solchen Elementen wie Zentralität. Zentralität und Vernetzung sind eben in unserer heutigen Zeit gewichtige Argumente – und wir werden ohne den Frankfurter Flughafen einfach keine Chance haben.
Aber die Tatsache, dass Zentralität nicht mehr alles ist, führt dazu, dass wir heute vor der Herausforderung stehen, auch in anderen Fragen flexibler und innovativer sein zu müssen als wir Hessen das historisch waren. Ich will das nicht überspitzen, aber für den südhessischen Raum – den ich ja lange genug kenne – war es durchaus so, dass vor 20 Jahren auch die Kommunalpolitik eher noch die Grundauffassung teilte, man „gewähre“ die Ansiedlung von Unternehmen, anstatt sich etwa um die Ansiedlung von Unternehmen zu bewerben. Es ist heute keineswegs so, dass wenn man sich um Unternehmensansiedlungen bemüht, keine Chance hätte, sie zu bekommen. Aber es stellt inzwischen eine ganz andere Herausforderung des Bemühens dar, die unsere bayerischen Kollegen und die nordhessischen Kollegen offenbar etwas besser durchschaut haben. Die nordhessische Region war bis 1989 jedoch noch mit der Schwierigkeit belastet, dass aufgrund der Nähe zur innerdeutschen Grenze die objektiven Voraussetzungen im Bereich der Zentralität so schlecht waren, dass man dies mit Förderkulissen nur schwer dämpfen konnte. Jetzt sind wir in der günstigen Situation, dass die Knoten gelöst sind. Wir sind endlich wieder in einer zentralen Position mitten in Europa und mitten in Deutschland.
Aber nun stehen wir auch in einem schärferen Ansiedlungswettbewerb, als es unser Bundesland traditionell gewohnt war zu erleben. Und darauf muss man reagieren. Wir haben immer – dabei würde ich auch gerne bleiben – versucht, gelassen auf solche Herausforderungen zu reagieren. Denn wenn man erst einmal sagt, „Wir wissen, dass wir Förderkulissen brauchen“, entsteht daraus schnell eine Nehmermentalität. Wenn der Staat anfängt, Industrie- und Gewerbepolitik zu betreiben, kann er sehr schnell sehr viel Geld ausgeben, ohne die gewünschte Wirkung zu erzielen. Wir haben auch in unserer Nachbarschaft – es wäre jetzt unhöflich, sie namentlich zu nennen – einzelne Wirtschaftsförderungsprojekte, die sich auf bis zu 100 Millionen Euro belaufen. Ich glaube, unser Nachbarland Nordrhein-Westfalen wäre, was seine Gesamtwirtschaftsförderung angeht, durchaus in der Lage, innerhalb von zwei Jahren das Geld auszugeben, das wir die letzten 20 Jahre dafür zur Verfügung hatten. Dabei ist es keineswegs zwingend, dass die eingesetzten Mittel auch tatsächlich zur Prosperität führen. Also müssen wir in der Erkenntnis, dass die Wettbewerbsvoraussetzungen sich heutzutage verschärft haben, trotzdem darauf achten, dass unsere finanzielle Balance stimmt.
Deshalb sage ich am Fördertag, dass nach Auffassung der von mir geführten Landesregierung es weiterhin die zentrale Aufgabe bleibt, Rahmenbedingungen zu gestalten, Infrastruktur bereitzustellen, Ansiedlungsräume zu schaffen, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und die administrative Begleitung von ökonomischen Prozessen so einfach wie möglich zu gestalten. Dazu gehören Arten von Genehmigungsverfahren, Serviceeinrichtungen, Kooperationen von der Umweltallianz bis hin zur Servicestelle des Finanzministeriums für die Finanzinstitutionen am Bankenplatz Frankfurt – und vieles andere. Dazu gehört auch weiterhin die Bereitstellung von Verkehrsinfrastrukturen in der Fläche. Wir können eben heute auch mit den Daten, die wir in Hessen erhoben haben, beweisen, dass es einen unmittelbaren und wirklich faszinierenden Zusammenhang zwischen der Kilometerentfernung zur nächsten Anschlussstelle einer überregionalen Straßenverbindung und dem Wohlstand in Form von Bruttoinlandsprodukt pro Kopf sowie Arbeitslosigkeit in Prozent bei jeder einzelnen Gemeinde dieses Landes gibt. Das ist so faszinierend, dass es schon fast beängstigend ist. Aber wenn man diese Fakten kennt, muss man eben auch die verkehrspolitischen Konsequenzen daraus ziehen. Das ist dann konsequenterweise der Ausbau des Frankfurter Flughafens. Das ist die Errichtung eines regionalen Verkehrsknotenpunktes in Nordhessen. Das ist der Ausbau von Autobahnen; und das sind aber auch Erfahrungen zur anderweitigen Erschließung von solchen Regionen, die wir in absehbarer Zeit nicht mit Autobahnen erreichen können, um diese wettbewerbsfähig zu machen.
Wir wissen, dass wir uns bei der Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, nicht ganz so abstinent verhalten können wie in der Vergangenheit. Deshalb müssen wir klug mit den relativ geringen finanziellen Mitteln, die wir aus unseren Steuern dafür aufwenden können, versuchen, denjenigen eine angemessene Förderkulisse zu bieten, die tatsächlich darauf angewiesen sind. Dazu gehören Kommunen, die schon traditionell mit europäischer Unterstützung ihre Projekte entwickelt haben. Darin wird eine Herausforderung für die Zukunft liegen, weil diese europäischen Fördermittel in dem Umfang, wie wir ihn gewohnt waren, mit jeder graduellen Erweiterung der Europäischen Union weiter absinken werden. Das kann man versuchen zu verzögern, das kann man auch ein paar Jahre lang bejammern, aber man kann es nicht ändern. Und deshalb wird zum Beispiel eine der wichtigen Fragen sein, was wir erreichen können, indem wir durch Darlehen anstatt durch Zuschüsse versuchen, die einmal gewonnenen Mittel revolvierend immer wieder für neue Aktivitäten einzusetzen. Das ist eine Frage, mit der Sie sich im Laufe des Tages ja durchaus beschäftigen werden. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass ein großer Teil der finanziellen Fördermittel, die es bisher in Hessen gab und gibt, europäischen Ursprungs sind und diese sich reduzieren werden. Wir werden der hessischen Förderpolitik eine Reihe von Innovationen, darunter auch eine bessere Organisation, abverlangen müssen. Wenn man das klug macht, kann man eine Menge damit erreichen. Wenn man es verschläft, werden unsere Nachfolger ohne finanzielle Ressourcen dastehen.
Dies wird in Zukunft auch ganz wesentlich etwas mit unserer Förderphilosophie zu tun haben. Wir wissen zwar, dass Wirtschaftsförderung zunächst einmal nicht nur aus Geldmitteln besteht: Wenn wir ein Unternehmen für diesen Standort gewinnen möchten, dann kommen diese häufig mit einer ganzen Checkliste. Neben der Flughafen-Erreichbarkeit handeln die darauf stehenden Punkte zum Beispiel auch von der Freundlichkeit der betreffende Gemeinde, von vorhandenem Bauland, potenziellen Erweiterungsflächen, der Höhe der Gewerbesteuer, der Gesamtbelastung und Durchschaubarkeit von Steuern in Deutschland sowie endlos weiteren Aspekten. Aber am Ende kommt dann doch immer wieder die Frage nach den „subsidies“: Gibt es in irgendeiner Form Subventionen? Ich reise nach wie vor viel durch die Welt. Wo immer ich Wirtschaftspräsentationen halte, antworte ich auf die Frage, welche Subventionen man in unserem Land erhält: Keine. Diese Provokation, dass hier einer zu sagen wagt, die Unternehmen sollten zu uns kommen, ohne dafür Geld zu erhalten, ist offenbar eine so große, dass die Unternehmen tatsächlich beginnen, über diesen Standort nachzudenken. Aber ich weiß auch, dass es in Tagesauseinandersetzungen eben oft so ist, dass beim besten Willen aller Beteiligten die Frage, wie staatliche Hilfen, die in unserem Umfeld im Rahmen des geltenden EU-Rechts – darüber hinaus aber auch in irgendeiner Form in praktisch jeder Region der Welt – angeboten werden, eine nicht ganz unerhebliche ist. Wenn wir uns dann ignorant verhalten – nach dem Motto: „Wir gewähren Ansiedlungen, wir werben nicht dafür“ – werden sich die vermeintlichen Investoren freundlich bedanken. Sie brauchen dann gar nicht einmal in ein anderes Land Europas gehen. Es reicht ein Wechsel in ein anderes Bundesland.
Insofern werden wir hier auch vor Fragen stehen, die wir nicht einfach mit Nein beantworten können. Damit die Fördermittel aber zumindest nicht in einem gewissermaßen euphorisierten Zustand vergeben werden, sondern die Vergabe von einer ordnungsgemäßen Risikoabwägung gesteuert wird, haben wir uns für eine Trennung der verschiedenen Teile von Wirtschaftsförderung entschieden. Herr Dr. Hirschler hat davon gesprochen, dass wir die richtigen Leute haben müssen, um Unternehmen anzuwerben. Diese müssen sozusagen mit dem Lasso in die Welt hinausziehen. Sie müssen zudem mit Klebstoff durch das Land streifen, um dafür zu sorgen, dass alle Firmen, die bereits hier sind, auch hier bleiben und darüber hinaus neue hinzukommen. Das ist eine sehr marketingorientierte Tätigkeit, die im eigenen Land, in Deutschland, in China, in Südamerika, in den Vereinigten Staaten von Amerika oder wo auch immer zu leisten ist. Diese Menschen müssen vor allem begeistern. Es wäre mir aber – ehrlich gesagt – zu gefährlich, denjenigen bei all ihrer Begeisterung auch noch die Geldschatulle in die Hand zu geben. Deshalb trennen wir zwischen monetärer und nichtmonetärer Wirtschaftsförderung in Hessen. Auf der einen Seite haben wir die Förderbanken und auf der anderen Seite die Hessen Agentur, die Bereiche wie den Technologietransfer und die Standortberatung überregional und regional bündelt.
Ein aus meiner Sicht bis heute vielfach unterschätzter Epochenbruch in der Finanzentwicklung der Bundesrepublik Deutschland, auch Ihrer Förderinstitutionen, ist der Wandel im Bereich der Gewährträgerhaftung. Förderinstitutionen dürfen nach europäischem Recht weiterhin der Gewährtragung der öffentlichen Hand unterliegen, wenn sie nach den Regeln des öffentlichen Wettbewerbsrechts und nach den Regeln des Beihilferechts geführt werden. Dann müssen wir sie der öffentlichen Haftung in Form der Gewährträgerschaft unterstellen, weil sie sonst nicht zu vergleichbaren Preisen wie andere Institute in der Lage sind, das, was sie dann wirtschaftlich verantwortlich als Banker machen und auslegen, auch finanzieren und refinanzieren zu können. Daher sind wir im Augenblick auch dabei, das Recht für die Landestreuhandanstalt durch das LTH-Gesetz zu verändern. Wir werden dabei sicherstellen, dass durch die gewählte Form dort eine weiterhin organisatorisch enge Verflechtung zur Landesbank Hessen-Thüringen gewährleistet ist, aber eben auch eine formale Schutzsituation unter der Gewährträgerhaftung des Landes für die Anstalt selbst und ihre Operationen existieren wird. Und deshalb wird es auch weiterhin auf Seiten der IBH die Möglichkeit geben, mit den Mitteln des Landes im Bereich der privaten Wirtschaft zu operieren und zu fördern.
Wir trennen das, weil wir durchaus sehen, dass wir im Bereich der Kommunalkredite und der Finanzierung für die öffentliche Hand andere Instrumentarien brauchen als im Bereich des privaten Bankgeschäfts. Die IBH wird der wichtigste Ansprechpartner sein für die Wirtschaft. Das Stichwort „Bürgschaft ohne Bank“ ist eines der in den letzten Jahren neu hinzugekommenen, von dem wir glauben, dass wir dadurch auch eine gewisse Korrekturfunktion für den öffentlichen Markt haben. Nicht, weil wir schlauer wären als der öffentliche Markt, sondern weil eben Investoren und Existenzgründer heute häufig gar keine andere Chance mehr haben, an Kredite und Förderungen zu gelangen. Die LTH steht darüber hinaus vor der Herausforderung, öffentliche Dienstleistungen und Infrastrukturen mit zu entwickeln und zu finanzieren. Sie wird sich in den nächsten Monaten zu einer äußerst begehrten und nachgefragten Institution entwickeln, weil sie ein sehr fortschrittliches und gutes System zur Bereitstellung von Krediten im Bereich der Studienbeiträge entwickelt hat und damit ein gesetzlich beauftragtes Institut mit einem beachtlichen Kundenvolumen sein wird.
Aber das ist ja nur ein Teil. Wir werden im öffentlichen Bereich, im Nahverkehr, im Umweltschutz, im Bereich des Gesundheitswesens große unternehmerische Herausforderungen zu bewältigen haben, die wir nicht mehr nach den Regeln eines kameralistischen Haushaltes bedienen können. Wir werden darauf angewiesen sein, auch in diesem Bereich Produkte zu entwickeln, die es den Kommunen unter der Anwendung einer nachhaltigen Finanzwirtschaft erlauben, mit Partnern zusammen diese Projekte abzuwickeln und zu begründen. Damit kann man – das ist einer der Gründe, warum wir ja auch diesen ganzen Aufwand im Haushaltswesen betreiben – durchaus erhebliche Vorteile im Vergleich zu der derzeitigen Form von Investitionen erlangen. Wir wollen als Land – das wird die Kommunen sicherlich ebenfalls betreffen – zugleich diese Strukturen von IBH und LTH nutzen, um weiterhin Abwicklungen von Geldgeschäften gegenüber Dritten aus der allgemeinen Staatsverwaltung an diese Institutionen zu übertragen: Das bezieht sich auf alles, was an Geldern des Europäischen Sozialfonds oder anderer europäischer Fördermittel – als Zuschuss oder als Subvention – ins Land fließt, was als Mittel zur Dorferneuerung daherkommt, was sich als Teil des hessischen Kulturlandschaftsprogramms darstellt und vieles mehr. All diese Mittel, so glauben wir als Landesregierung, können die bankähnlichen Strukturen besser und wirtschaftlicher verwalten, als wir das im Beamtenapparat können. Das ist eine schwierige Konversion, da am ersten Tag der Übertragung von dem einen auf den anderen Akteur die Kosten erst einmal ansteigen. Die Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung sind ja zu Beginn des Wandlungsprozesses noch alle da und verschwinden nicht vom einen Tag auf den anderen. Dieser Prozess ist trotzdem nach meiner Überzeugung und der Überzeugung meiner Kolleginnen und Kollegen der Landesregierung historisch richtig und wird Stück für Stück, so wie Sie es in den letzten Jahren an der Stadterneuerung schon gesehen haben, vollzogen. Das führt zu nicht unspannenden Fragen, auch im Hinblick auf die Autorität zwischen dem einen und dem anderen – Bürgermeister und Landräte einerseits und IBH andererseits. Ich höre schon jetzt die Klagen: „Wo kommen die denn her, dass eine private Bank mir vorschreiben will, ob der Förderbescheid richtig oder falsch ist, ob ich das so machen darf oder nicht?“ Die schlichte Antwort darauf wird lauten: Die dürfen das.
Ein weiterer Aspekt gehört ebenfalls zu den veränderten Förderkulissen, mit denen wir uns heute beschäftigen. Die Europäische Union hat sich angewöhnt, sehr genau zu überprüfen, ob die von ihr zur Verfügung gestellten Fördermittel alle korrekt verwaltet werden, ob Unternehmensbeihilfen überhaupt erlaubterweise gezahlt werden – entsprechend der De-minimis-Regel, wie es so schön im Fachdeutsch heißt – und ob nicht die versehentliche Verrechnung einer Ziegenherde als Schafherde bereits Konsequenzen für die gesamte Förderung einer bestimmten Region Europas haben könnte. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könnten tatsächlich zwei oder drei grobe Förderungsfallfehler in einem Bundesland den Ausfall der gesamten EU-Förderung für dieses Bundesland, eventuell sogar für die ganze Bundesrepublik Deutschland bedeuten. Das heißt, das Risiko, 100.000 Euro falsch platziert zu haben und dadurch am Ende zehn, 15 oder 100 Millionen Euro zu verlieren ist gefährlich hoch. Als Konsequenz daraus werden wir deshalb die Aufgaben von Förderinstitutionen nicht beliebig dezentralisieren. Wir brauchen zentrale Institutionen, die haftungsfähig und haftungswillig sind, die aber auch die nötige Autorität zur Entscheidung und Kontrolle haben, um mit diesen Mechanismen dafür zu sorgen, dass die Geldmittel entsprechend dem geltenden Förderrecht eingesetzt werden.
Förderpolitik der Zukunft ist also nicht einfach Geld mal Arbeitsplatz durch Quadratmeter geteilt, sondern wird eine Herausforderung an uns alle stellen. Wir müssen uns immer wieder fragen, ob unsere Förderphilosophie die richtige ist, ob unsere Instrumente stimmen. Wir müssen uns fragen: Macht es Sinn? Macht es Sinn, dass ich um jedes Unternehmen in der Welt mit der Schönheit meines Dorfes werbe, oder kann ich mich irgendwann – weil ich bereits drei oder vier Unternehmen erfolgreich angeworben habe – darauf verlassen, dass es den weiteren Unternehmen ganz egal sein wird, wie es in meinem Dorf aussieht? Sie werden dennoch kommen und sich niederlassen, weil sie wissen, dass bereits drei andere mit Erfolg hier sind. Ich bin sicher, dass die Investitionsbank Hessen, die eben dann am Ende keine Aktiengesellschaft, sondern eine Anstalt des öffentlichen Rechts sein wird, und die Landestreuhandstelle Hessen, die dann in Form einer selbstständigen Anstalt innerhalb der Landesbank Hessen-Thüringen arbeiten wird, gute Voraussetzungen dafür bieten, die Herausforderungen der zukünftigen Förderung in der Praxis zu meistern.
Der heutige Fördertag steht bereits unter dem Gesichtspunkt, dass man es als eine gemeinsame Aufgabe begreift, die man gemeinsam mit Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren, beginnen möchte. Sie werden heute über Visionen diskutieren, über Ressourcen, aber auch über Rahmenbedingungen. Am Ende wird eine Partnerschaft zwischen allen Betroffenen bestehen: den Kommunen einerseits, den Unternehmen andererseits sowie dem Land Hessen mit seinen Förderinstituten. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei.
Herzlich willkommen zum Fördertag!