Privatisierung des Uniklinikums Gießen und Marburg
Rede des Hessischen Ministerpräsidenten zur Privatisierung des Uniklinikums Gießen und Marburg
Roland Koch in seiner Rede im Plenum des Hessischen Landtags am 20. Dezember 2005
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Unabhängig von der Interessenslage einzelner Fraktionen halte ich es zum Ersten für richtig, dass der Hessische Landtag unmittelbar nach einer wichtigen Entscheidung des Kabinetts über diese Entscheidung, die beträchtliche Auswirkungen auf die Universitätskliniken Marburg und Gießen hat, unterrichtet wird und auch möglichst in seiner ersten Folgesitzung darüber diskutiert.
Ich glaube zum Zweiten, dass es richtig und notwendig ist, dass in einem solchen Verfahren, auf dessen Ablauf ich gleich kommen werde, der Landtag eine Chance hat, in den Zwischenstufen eine Meinungsäußerung abzugeben. Daran besteht aus der Sicht der Regierung, das gebe ich offen zu, ein gewisses Interesse.
Wir haben uns im Parlament bereits in intensiven Diskussionen zwischen der Regierung und den Parlamentsfraktionen über Verfahren unterhalten. Deshalb würde ich gern mit diesem Verfahren anfangen. Wir befinden uns in einem schwierigen Verfahren, weil es sich nicht nach den normalen Regeln des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens richtet, sondern nach den Regeln eines privatrechtlichen Bieterzuschlagsverfahrens. Das bedeutet: Die Zeit, die wir uns normalerweise im parlamentarischen Verfahren nehmen, können wir uns an dieser Stelle so nicht nehmen. Es muss schneller und es muss anders gehen. Das hindert aber nicht daran, dass die Rechte des Parlaments, wie wir sie in der Geschäftsordnung des Parlaments organisiert haben, auch dieses Mal gewahrt werden.
Ich will darauf hinweisen, dass die Zustimmung zu einer Beteiligungsveräußerung, die für das Land Hessen wesentlich ist, durch den Haushaltsausschuss erfolgt.
Ich will nebenbei sagen: Sie kann vor dem Geschäft erfolgen oder unmittelbar danach. Das ist eine Ungewöhnlichkeit des Gesetzes, die darauf hinweist, dass die Grundsatzentscheidung an dieser Stelle die Regierung treffen muss.
Wir haben das gleiche Verfahren bei jedem Grundstücksgeschäft. Grundstücksgeschäft klingt jetzt klein, aber wir haben Grundstücksgeschäfte über 2 Millionen Euro und auch Grundstücksgeschäfte über 1 Milliarde Euro. Das alles haben wir hier schon gehabt. Ich will nach dieser Debatte – das hätte ich sonst nicht gesagt – darauf hinweisen, dass die Entscheidungen der Parlamentsausschüsse und, wenn es denn notwendig ist, des Parlaments zu solchen Geschäften in aller Regel nicht aufgrund detaillierter Verträge, sondern mit einer zusammengefassten Vorlage der Regierung entstehen, was auch vernünftig ist.
Deshalb haben wir in dem Gespräch mit den Parlamentsfraktionen gesagt, dass angesichts der Bedeutung des Vertrags, auch unter dem Gesichtspunkt, dass er in einem besonderen Verhältnis mit dem Gesetzgebungsverfahren zum Universitätsklinikgesetz steht, was anders ist als bei einem normalen Grundstücksgeschäft, es aus unserer Sicht nachvollziehbar ist, wenn die Parlamentsfraktionen sagen, das gehe nicht in zwei oder drei Tagen. Daraufhin hat die Landesregierung die Entscheidung getroffen, dass wir Ihnen gerne sagen wollen: Aus unserer Sicht ist es entgegen den ursprünglichen Planungen nicht zwingend, wenn auch nicht mehr ganz so selbstverständlich, heute über das Geschäft zu entscheiden. Aus meiner Sicht ist aber die Tatsache, dass die rechtlichen Entscheidungen, die nach der Zuschlagsfrist von zwei Wochen zu geschehen haben, gerade wenn es so bedeutsam ist, nicht ohne eine Willensbekundung des Parlaments stattfinden können, ohne dass man dadurch rechtlich gebunden wird, keine Missachtung des Parlaments, sondern eine Achtung des Parlaments.
Die Entscheidung, die der Hessische Landtag heute trifft, wenn er eine trifft, zu sagen, wir können den bisher eingeschlagenen Weg mit unseren heutigen Informationen nachvollziehen, ist nicht die rechtlich verbindliche Entscheidung des Landtags. Vielmehr haben wir uns darüber klar verständigt, dass diese Entscheidung im Haushaltsausschussverfahren zu dem anderen Zeitpunkt zu treffen ist.
Ein zweiter Punkt. Ich würde Ihnen gerne etwas anbieten, für den Fall, dass eine Parlamentsfraktion nach dem Haushaltsverfahren die Absicht haben sollte, das Parlament damit erneut zu befassen, da Sie nicht über den Text der Verträge reden, sondern da zwei Oppositionsfraktionen aus prinzipiellen Gründen gegen dieses Geschäft sind. Dagegen ist auch nichts zu sagen. Das ist legitim in der Auseinandersetzung.
Da Sie wahrscheinlich die Absicht haben, das dem Hessischen Landtag erneut zuzuführen, will ich Ihnen für diesen Fall sagen, dass ich es aufgrund des zeitlichen – nicht des sachlichen – Zusammenhangs für sehr schwierig halte, festzulegen: Das machen wir am 26. Januar nachmittags, und am 27. Januar tagt der Wissenschaftsrat. – Dann empfehle ich Ihnen – die Landesregierung kann das leisten, aber nach § 57 unserer Verfassung können das auch die Fraktionen machen –, die Entscheidung am Dienstag danach in einer Sondersitzung des Parlaments zu treffen. Wir müssen sie nach dem 31. treffen.
Wenn das im Januar stattfindet, ist aus meiner Sicht von der Sache her beides vertretbar. Aber gerade weil wir einen Monat weiter arbeiten – das mögen Sie bitte auch verstehen –, weil wir ab dem 2. Januar einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Übernehmer haben und weil wir aufgrund der vertraglichen Bedingungen ab sofort in allen unseren Entscheidungen behindert sind, halte ich es für richtig, dass sich der Hessische Landtag das Recht herausnehmen kann, zum heutigen Tag zu sagen: Der Weg ist richtig; über die Details reden wir später.
Deshalb ist mein Vortrag darauf gerichtet, zu fragen: „Kann der Hessische Landtag sagen“ – das wäre, wenn ich die Debatten der Fraktionen richtig verstanden habe, zumindest der erste Satz – „dass der Weg zwar richtig sei und man ihn weiter begehen könne, man sich aber vorbehalte, alles genau zu prüfen?“ Der erste Satz bedeutet, dass die Entscheidung, nämlich der Verkauf an das Rhön-Klinikum, richtig ist.
Warum wir zu der Auffassung gekommen sind, dass diese Entscheidung richtig ist, will ich nun darstellen. Es ergibt keinen Sinn, Zeitungswissen zu dementieren. Da ich gehört habe, dass dies in der Debatte eine Rolle gespielt hat, will ich Folgendes bestätigen. An dem Bieterverfahren haben sich zum Schluss drei Interessenten beteiligt, zwischen denen eine Entscheidung zu treffen war: das Rhön-Klinikum, die Firma Asklepios und die Firma Helios. Diese drei Bieter haben Angebote abgegeben, die die Arbeitsgruppe, die das Kabinett damit beauftragt hatte, bewertet hat. Anschließend hat das Kabinett die Entscheidung getroffen. Wir betrachten den Zuschlag, der dem Rhön-Klinikum erteilt worden ist, als einen wichtigen Schritt zur Entwicklung der Universitätsklinik in Gießen und Marburg. Ich verweise auf die Regierungserklärung, die ich am 14. Dezember vergangenen Jahres hier abgegeben habe. Sie enthielt eine endlose Zahl von Zitaten.
Ich erinnere daran, dass einige Kollegen der Opposition glaubten, es gebe einen negativen Kaufpreis, dass wir also noch etwas bezahlen müssten, damit uns jemand die Universitätsklinik abnimmt. Es wurde die These aufgestellt, es sei ausgeschlossen, eine Kooperation mit dem Wissenschaftsrat aufzubauen. Es wurde behauptet, die VBL würde uns 300 Millionen Euro kosten. Ferner wurde behauptet, wir müssten Hunderte von Millionen Euro an den Bund zurückzahlen. Wenn wir alle diese Einwände zusammennehmen, sage ich Ihnen: Wir sind sehr stolz, Ihnen heute dieses Ergebnis präsentieren zu können.
Wir haben mit dem Ausschreibungsverfahren, das veröffentlicht worden ist, von Anfang an deutlich gemacht, dass wir vier Kriterien haben, nach denen wir beurteilen, ob eine solche Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg erfolgreich ist.
Bei dem ersten Kriterium geht es um ein medizinisches Konzept, das sicherstellt, dass in der Zukunft an beiden Standorten eine hoch innovative Medizin erhalten und ausgebaut wird und dass gleichzeitig eine gute Krankenversorgung des Betriebs – auch eine Regelversorgung, wie sie in der Vergangenheit in den Universitätskliniken Gießen und Marburg erbracht worden ist – gewährleistet ist.
Zweites Kriterium. Wir wollen ein Unternehmens- und Investitionskonzept, das sicherstellt, dass die Investitionsrückstände insbesondere in Gießen – aber nicht nur – beseitigt werden und dass mit einer unternehmerischen Konzeption dargelegt wird, welche Elemente für die Zukunft uns darauf hoffen lassen können, dass bei einer effizienteren Erbringung vorhandener Leistungen zusätzliche Arbeitsplätze dadurch geschaffen werden, dass neue unternehmerische Ideen hinzukommen.
Drittens. Wir wollen, dass erstens unsere staatliche Zusage, dass die Arbeitsplätze durch den Ausschluss von Kündigungen bis zum Jahr 2010 sicher sind, auch durch einen privaten Betreiber übernommen wird und dass zweitens arbeitsrechtliche Bedingungen bestehen, die uns zu der Erwartung Anlass geben, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort in einer mindestens genau so guten, möglicherweise sogar besseren Situation bezüglich der Zukunft ihrer Arbeitsplätze sind, als wenn wir die Universitätsklinik unter den bestehenden Bedingungen an beiden Standorten fortführen würden.
Viertes Kriterium. Wir erwarten selbstverständlich auch, dass es einen angemessenen Kaufpreis für die aus unserer Sicht – auch für ein privatwirtschaftliches Unternehmen – werthaltige Einrichtung des Universitätsklinikums gibt.
Nachdem ich diese vier Bedingungen genannt habe, will ich hinzufügen – ich habe das im Zusammenhang mit den Arbeitnehmern schon erwähnt –, dass sich jedermann über Folgendes im Klaren sein und bleiben muss, auch wenn diejenigen, die hier jetzt nicht mehr anwesend sind, das in den letzten Monaten immer unterdrückt haben: Wenn wir die bestehenden Klinik an den beiden Standorten einfach fortentwickelt hätten, hätte sie keine Chance gehabt, medizinisch in einem internationalen Maßstab konkurrenzfähig zu bleiben oder zu werden.
Wir waren nicht in der Lage – wir wären willens gewesen; meine Vorgängerregierung dagegen war in Gießen nicht einmal willens –, in einer angemessen kurzen Zeit die notwendigen Investitionen aufzubringen, um eine angemessene Regelversorgung der Bürgerinnen und Bürger an beiden Standorten zu gewährleisten. Wir waren nicht von der Tatsache befreit, dass die Universitätsklinika in Deutschland im Moment unter einem enormen Druck stehen. Das ist nicht so, weil wir das wollen, sondern weil die Gesundheitspolitik und das Recht der Menschen, nicht länger als unbedingt nötig in einem Krankenhaus zu bleiben, zu Veränderungen geführt haben.
Die Universitätsklinika sind Anfang der Neunzigerjahre bewertet worden. Es ist eine Bettenkapazitätsrechnung durchgeführt worden, die auf einer durchschnittlichen Verweildauer der Patienten von 11,6 Tagen basierte. Die heutigen Berechnungen, die die Krankenhausgesellschaft und die Träger der öffentlichen Einrichtungen zusammen durchführen, gehen von einer Schwankungsbreite der durchschnittlichen Verweildauer in einer Universitätsklinik zwischen 6,2 und 6,7 Tagen aus.
Das ist keine Boshaftigkeit eines privaten Investors. Es geht nicht darum, die Menschen zu quälen. Das ist der Erfolg von Medizin. Aber dieser Erfolg der Medizin bedeutet – das kann man ausrechnen –, dass es in den nächsten Jahren in Deutschland etwa ein Drittel weniger Krankenhausbetten geben wird. Die Universitätskliniken sind davon genau so wenig befreit wie jedes andere Krankenhaus auch, insbesondere wenn sie zusätzlich Kliniken der Regelversorgung sind, weil sie solche Angebote machen.
Deshalb ging es nicht um die Frage, ob, wenn die Klinik weiterhin staatlich geführt wird, alles so bleibt, wie es ist, sondern die Frage lautete, ob wir ohne eine Chance für neue Entwicklungen eine Möglichkeit haben, dort hinauszugehen. – Die Pressesprecher sind bei beiden Fraktionen sichtlich die einzigen Kontakte zur Außenwelt, die sie noch haben. Die entscheidende Frage war, wie man erreichen kann, dass der Status quo nicht fortgesetzt wird. Unter diesen Voraussetzungen waren die vier Maßstäbe zu sehen.
Der Bieter, dem die Hessische Landesregierung den Zuschlag erteilt hat, hat sich bei seinem Medizinkonzept darauf bezogen, das zu übernehmen, was unter Federführung des Sozialministeriums in der Arbeitsgruppe durch einen medizinwissenschaftlichen Berater in Übereinstimmung mit den beiden Fachbereichen, vertreten durch ihre Dekane, den ärztlichen Direktoren, dem Vorstand der jetzt einen Klinik, am Anfang des Prozesses noch zwei Kliniken, als das Grundmedizinkonzept zur Standortsicherung an beiden Stellen erarbeitet worden ist, sowohl unter dem Gesichtspunkt der medizinischen Versorgung der Bürger als auch der Voraussetzungen der Wissenschaft. Dieses Konzept ist öffentlich hinreichend diskutiert worden und hat einen beziehungsreichen Namen. Es heißt Quertapete. Ob dieser Begriff in der öffentlichen Kommunikation sinnvoll ist, weiß ich nicht, aber jedenfalls können das alle im Hessischen Landtag wissen. Diese Basis übernehmen alle drei Bieter.
Als eine wichtige zusätzliche Entwicklung haben wir gesehen, dass der Bieter Rhön-Klinikum in seinem Vertrag die Freiheit von Wissenschaft und Forschung in einer besondere Weise betont und davon auszugehen ist, dass dort mit eigenen Maßnahmen weitere auch wissenschaftliche Schwerpunke geschaffen werden können. Dazu gehört sicherlich auch das Angebot, eine jährliche Bezuschussung von Wissenschaft und Forschung aus dem Unternehmensgewinn zu finanzieren, mit jeweils 10 % des ausgewiesenen Gewinns, aber mindestens 2 Millionen Euro im Jahr.
Dazu gehört weiter, dass es die Erklärung gab, zur Unterstützung medizinischer Forschung eine eigene zusätzliche Stiftung zu gründen, die als Stiftungskapital mit einer weiteren Million Euro ausgestattet werden sollte. In dem Zusammenhang ist dann auch zu sehen – da verschwimmen die Kapitel 1 und 2, Wissenschaft und unternehmerisches Konzept –, dass die Betreiber eine besondere Therapie der onkologischen Behandlung angeboten haben, die im Rahmen der Krebstherapie weltweit einen Durchbruch bei der Partikeltherapie, der Protonentherapie oder – sagen wir es etwas allgemeiner – der Schwerionentherapie ermöglichen könnte.
Das ist ein hessisches Beispiel. Denn die Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt ist der geistige Vater bzw. der Platz, an dem die Entwicklung für diese Dinge weltweit am weitesten fortgeschritten ist. Es ist die Idee des Betreibers, den wir ausgewählt haben, dass dies durch eine Investition von mehr als 100 Millionen Euro am Standort Gießen/Marburg als zusätzliches medizinisches und Forschungsangebot errichtet würde, wenn die Wissenschaft das will. Inzwischen wissen wir – drei Tage sind schon vergangen –, dass die Wissenschaft ein großes Interesse am Standort hat.
Deshalb gehen wir davon aus, dass die Errichtung möglich ist. Sie ist deutliches Zeichen dafür, dass es das Bestreben gibt, die medizinischen Angebote am Standort, aber auch die wissenschaftlichen Möglichkeiten nicht nur aufrechtzuerhalten, was eine selbstverständliche Forderung von uns war, sondern sogar zu erweitern. Sie ist zugleich ein finanziell wohlunterlegter Beweis dafür, dass mit einem privaten Betreiber etwas zu erreichen ist, was wir nie erreichen könnten – um das ganz klar zu sagen. Eine Protonenklinik ist mit öffentlichen Mitteln, außerhalb von Heidelberg, nirgends in Deutschland nach den Regeln förderbar. Wir könnten noch so viele HBFG-Anträge auf Hochschulbaufördergelder stellen, wenn es das noch gäbe. Wir könnten es mit öffentlichen Geldern selbst dann nicht machen, wenn wir uns an die Regeln des Wissenschaftsrats hielten. Nur eine private Klinik hat die Chance, einen solch zusätzlich Sprung für die Wissenschaft an den Universitätsstandorten Gießen und Marburg zu machen.
Das ist ein Signal dafür, dass wir mit der Hereinnahme von Privaten zusätzliche Optionen schaffen, die es uns, wie man bei dem 100-Millionen-Euro-Projekt erkennen kann, möglich machen, Rationalisierungselemente, die wir an anderer Stelle haben werden – ich habe die Verweildauer genannt –, durch neue Aktivitäten in anderen Feldern zu kompensieren. Wir glauben einem Betreiber, der mit so viel Engagement auch in Form von Geld in ein solches Projekt hineingeht. Wir glauben ihm, dass er bereit ist, nicht nur das Bestehende zu verwalten, sondern dass er weiß, dass er den Kaufpreis nur erlangen kann, wenn er neue Ideen, neue unternehmerische Konzepte in der Medizin hat, um dafür zu sorgen, dass er am Ende eine solche Entwicklung meistern kann.
Die Tatsache, dass er das muss und dass er investieren muss, spiegelte sich insbesondere im zweiten Kriterium wider, nämlich dass wir Investitionen brauchen. Auch dort war relativ klar, dass wir Vorgaben haben, wobei die Vorgaben relativ einfach sind. Wer einmal durch die Gießener Klinik gegangen ist, hat eine grobe Vorstellung der Vorgaben. Insofern waren die Herausforderungen relativ gleichmäßig. Deswegen glaube ich, kann ich auch völlig unproblematisch sagen: Die Einschätzung aller drei Bieter, was den Investitionsbedarf an den Standorten Marburg und Gießen angeht, ist einigermaßen gleichmäßig, von der Protonenklinik abgesehen.
Wir haben allerdings festgestellt, dass es einen signifikanten Unterschied unter den Bietern gibt: wie schnell sie glauben, die Investitionen realisieren zu können und zu sollen. Der Bieter, der von uns den Zuschlag erhalten hat, hat einen Vorschlag mit einem sehr schnellen Zeithorizont unterbreitet. Das bedeutet, dass bis zum Jahr 2010 die wesentlichen Elemente dieser etwa 260 Millionen Euro umfassenden Investition sowohl durch den Neubau der Kopf-Klinik in Marburg als auch durch eine faktische Neuerrichtung der bettenbezogenen Abteilung der Universitätsklinik Gießen außerhalb der Chirurgie erreicht werden. Das ist nicht alles. Es kommen eine Menge weiterer Investitionsmaßnahmen hinzu – es geht um die grobe Richtung –, die den Gesamtbetrag erhöhen und die Sanierungsschritte im Einzelnen nachvollziehen lassen. Daher haben wir gesagt: All das, was aus unserer Sicht die notwendigen Ergänzungen sind, um die Klinik dort zu haben, ist mit diesem Projekt erreicht und erreichbar.
Dritter Punkt war die Frage der Arbeitnehmerrechte. Dort gibt es einen signifikanten Beitrag des jetzt genannten Bieters – das ist der höchste Beitrag –, in Form eines Sozialfonds in Höhe von 30 Millionen Euro und der Anerkennung der bisher geltenden Vereinbarungen, die eine betriebsbedingte Kündigung bis zum Jahr 2010 ausschließen, dafür zu sorgen, dass sehr frühzeitig Qualifikationsmaßnahmen entstehen, um auch danach – so die ausdrückliche Erklärung – betriebsbedingte Kündigungen nicht notwendig werden zu lassen.
Diese Entwicklung muss, wenn der Bieter den Zuschlag formal erhält und er dort zu arbeiten beginnt, in Betriebsvereinbarungen umgesetzt werden. Es gibt eine ausdrückliche Erklärung der Rhön-Klinikums AG, dass sie beabsichtigen, einen Haustarifvertrag für alle Mitarbeiter abzuschließen. Es gibt eine gewisse Begründung dafür, anzunehmen, dass es das geben kann, denn alle – wenn ich das Richtige im Kopf habe – 41 Kliniken, die das Unternehmen betreibt, haben einen Haustarifvertrag. Keine Klinik hat keinen Haustarifvertrag. Also haben wir einen hinreichenden Grund zu der Annahme, dass der Abschluss eines solchen Tarifvertrags auch dort gelingen wird, unterlegt mit dem, was ich gerade genannt habe hinsichtlich des Sozialfonds für Umschulungen und andere Maßnahmen. Andere Bieter haben ähnliche Angebote gemacht, nicht in dieser Höhe.
Vor diesem Hintergrund ist dann der Kaufpreis der letzte Punkt. Auch das sage ich offen: Wir hatten eine interne Bewertung, die die beiden ersten Kriterien mit jeweils 30 % belegen, also mehr Gewicht auf das unternehmerische Konzept und die Medizin als auf den Kaufpreis legten. Der Kaufpreis wurde am Ende ebenso wie die Arbeitnehmersicherung jeweils mit 20 % der Gesamtbeurteilung bewertet. Wir haben von vornherein gesagt, uns sind die restlichen 80 % wichtiger als der Kaufpreis. Der Kaufpreis ist letztlich die Konsequenz aus der Bereitschaft, sich unternehmerisch zu engagieren, aus der Bereitschaft, sich in Investitionen zu engagieren, aus der Akzeptanz von Restriktionen im Arbeitnehmerbereich, die wir aufgegeben haben. Hinzu kommt der Kaufpreis. Daraus ergibt sich der große Unterschied zwischen einem errechneten Transaktionspreis von etwa 640 Millionen Euro bei dem Angebot des Bieters, der öffentlich gemacht worden ist, und dem tatsächlichen Kaufpreis, der sich kurz oberhalb der Größe von 110 Millionen Euro bewegt. Alle Angebote haben sich auch in dieser Frage in einem sehr engen Zusammenhang bewegt. Signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Kaufpreisangeboten hat es in der Summe des Kaufpreises, die in der Größenordnung eine Rolle spielen können, nicht gegeben. Diese Fragen haben uns bei der Bewertung bewegt, auch durch diejenigen, die wir damit beauftragt haben.
Ich komme zu dem zusammenfassenden Ergebnis: Sie alleine hätten einen Zuschlag nicht ermöglicht, wenn wir nicht auch an dieser Stelle die Vereinbarungen zu prüfen gehabt hätten, die sich unmittelbar mit der Frage von Forschung und Lehre beschäftigen. Wir haben – das ist hier oft diskutiert worden; das ist das Neuland, das wir betreten – die Situation, dass wir wieder eine Trennlinie ziehen müssen, wie bei anderen Zusammenarbeiten von Öffentlichen und Privaten, die wir in der letzten Zeit gehabt haben, zwischen dem, was unverrückbar staatlicher Teil bleiben muss und dem, was Private besser können. Es spricht sehr viel dafür, dass Private das regelmäßige Organisieren von Klinikbetrieben besser können als der Staat. Es spricht sehr viel dafür, dass wir außer einigen großen Stiftungen und gemeinnützigen Einrichtungen – jedenfalls was früher einmal kommunal war – in einigen Jahren nicht mehr sehr viele Krankenhäuser haben werden, die nicht in privaten Gesellschaften betrieben werden, weil inzwischen die Privaten unzweifelhaft – viele haben dies bewiesen; da muss man nur vor die Tore dieser Stadt gehen – die gleichen Leistungen wie ein öffentliches System erbringen können, allerdings mit dem Ergebnis, dass sie dabei auch noch einen wirtschaftlichen Überschuss erwirtschaften, ohne dass schlechtere Leistungen für Mitarbeiter und Patienten herauskommen.
Die Frage wird sich auch für das Universitätsklinikum stellen. Sie bleibt aber bei dem Universitätsklinikum immer mit der Herausforderung verbunden, dass die Klinik zugleich eine Dienstleistungs- und Plattformfunktion für die Arbeit der Wissenschaft hat. Deshalb waren hier besondere Herausforderungen und Aufgaben zu lösen. Darüber wie auch über das, was im Gesetz und im Vertrag abzusichern ist, haben wir hier im Landtag, wie Sie wissen, sehr ausführlich diskutiert. In den Diskussionen mit dem Wissenschaftsrat haben wir zugestanden, anerkannt oder eingeräumt – die Formulierung ist mir ziemlich egal –, dass mehr im Gesetz geregelt wird, als wir für notwendig erachten. Wir sehen nämlich, dass in der öffentlichen Wahrnehmung wie auch in der Wissenschaftslandschaft die Sicherung im Gesetz eine höhere Wirkung als die Sicherung in Verträgen hat.
Das Gesetz ist leichter als ein Vertrag zu ändern. Das ist das Risiko, das die Wissenschaft möglicherweise damit eingeht. Wir haben gesagt: Wenn es so ist, soll es darüber keinen Streit geben. Deshalb ist unter diesem Gesichtspunkt vieles angepasst worden.
Am letzten Donnerstag hat hier eine Frage eine große Rolle gespielt, die mit einem Codebegriff versehen ist, den niemand in der Öffentlichkeit so richtig versteht, nämlich der so genannte Suspensiveffekt. Das betrifft die Frage, inwieweit Entscheidungen, die die Dekane bei ihrer Mitwirkung in den Unternehmen beanstanden, möglicherweise zunächst aufgehalten werden können, bevor Schiedskommissionen oder Ähnliches darüber befinden. Dies haben alle Anbieter übereinstimmend vertraglich angeboten, sodass kein Zweifel daran besteht, dass die Schlichtungs- und Schiedskommissionsregelungen, die wir haben, dauerhaft in den Vereinbarungen festgeschrieben und auch nicht durch Gesetz, jedenfalls nur sehr schwer geändert werden können.
Gegenstand der langen Diskussionen der Landesregierung mit dem Wissenschaftsrat war – darauf möchte ich noch eine Minute verwenden –: Die Dekane beider Universitätsklinika haben als Vertreter der Wissenschaft zwar einen Sitz und ein Rederecht, jedoch kein Abstimmungsrecht. Diese Frage hat uns – uns intern, uns als Betreiber, wie auch mich im persönlichen Gespräch, von dem der Präsident des Wissenschaftsrats dem Landtag berichtet hat – beschäftigt. Wir glauben, hier die richtige Lösung gefunden zu haben, weil wir eines erreichen müssen. Wir müssen erreichen, dass die Trennung dessen klar bleibt, was die unternehmerische Verantwortung ist und was die staatliche Verantwortung für die Forschung ist.
Auf den ersten Blick klingt es sehr einleuchtend zu sagen: Wir wollen, dass die beiden Dekane stimmberechtigt im Vorstand einer privatrechtlichen Gesellschaft für Krankenhaus sind. Auf den zweiten Blick ist das aus meiner Sicht nicht sehr einleuchtend. Ich möchte nämlich, dass in der Universitätsklinik die beiden Elemente in ihrer eigenen Verantwortung dauerhaft bestehen bleiben und eben gerade nicht aufgelöst werden. Einen Dekan, der Vorstandmitglied einer privatrechtlichen Aktiengesellschaft oder einer Tochtergesellschaft einer Aktiengesellschaft ist, hat eine Treuepflicht gegenüber der Aktiengesellschaft und den Aktionären. Der Wissenschaftsrat hat mich gefragt: Können wir ihn von dieser Haftung freistellen? Die Antwort lautet: Nein. Als Staat kann ich nicht sagen, jemand steht in einer Loyalitätspflicht zu einem privatrechtlichen Unternehmen als Mitglied des dortigen Organs, aber ich stelle ihn davon frei, wenn er sich diesem Organ gegenüber treuwidrig verhält. Das kann ich nicht.
Ich kann aber dafür sorgen, dass er alle Informationen erhält, dass er gehört werden muss, dass nichts ohne seine Abwesenheit geschieht. Ich kann dafür sorgen, dass er die Entscheidung aufhalten kann, wenn er mit ihr nicht einverstanden ist, und dass Entscheidungsgremien geschaffen werden, in denen – repräsentiert durch den Wissenschaftsminister – Entscheidungen wie in einer Schiedskommission getroffen werden, der ein auf Vorschlag des Wissenschaftsministers benannter neutraler Vorsitzender vorsteht. In dem Gremium kann sichergestellt werden, dass sich das Unternehmen nicht wegen privatrechtlicher Interessen durchsetzen kann, während sich der Staat mit seiner Forschung und Lehre nicht mehr durchsetzen kann. Am Ende soll ein Schlichtungsgremium entstehen, in dem der Schiedsgerichtsvorsitzende vom Staat benannt wird. Das ist aus meiner Sicht eine faire Lösung, für die wir ein halbes Jahr gebraucht und über die wir lange diskutiert haben. Genau diese Lösung ist jetzt im Vertrag abgesichert worden. Wir sind sehr sicher, für Forschung und Lehre am Ende eine gute Lösung gefunden zu haben, ohne dass es zu einer unzulässigen Vermischung zwischen Wirtschaft und anderen Bereichen kommt.
Offen bleibt die Frage, wie abhängig die Wissenschaft von betriebswirtschaftlichen Dingen des Unternehmens bleibt. Diese Frage ist immer wieder gestellt worden. Die Antwort darauf lautet: Wir glauben, mit den Instrumenten, die jetzt öffentlich gemacht worden sind, in der Summe eine Lösung dafür gefunden zu haben, die uns die Gewissheit gibt, dass die Unabhängigkeit gewahrt ist. Dazu gehört ein vertragliches Angebot. Das besteht darin, dass dieser Betreiber auf die jährliche Diskussion darüber verzichtet, was zwischen Wissenschaft auf der einen und der Betriebswirtschaft eines Krankenhauses auf der anderen Seite abzurechnen wäre – Miete, Räume, in denen studentische Ausbildung stattfindet – und wo die Trennung zwischen dem einen und dem anderen Bereich liegt. Vielmehr soll er diese Bereiche von vornherein der Universität und der Wissenschaft kostenlos zur Verfügung stellen.
Auch bei den Neubauten, die jetzt dort sind – das sieht die Konzeption vor – werden 15 oder 20 %, möglicherweise etwas mehr der Bausumme dafür verwandt werden, Universitätseinrichtungen zu bauen und nicht permanent darüber zu streiten, ob es das eine oder das andere ist. Der private Betreiber akzeptiert von vornherein: In meinem Haus findet Universität statt und ich trage das, weil ich will, dass dort Universität stattfindet. Das ist Bestandteil der unternehmerischen Konzeption. Darauf komme ich am Schluss meiner Ausführungen noch einmal zurück.
Wir werden Ihnen in den Haushaltsberatungen im Januar vorschlagen sicherzustellen, dass der Verkaufserlös auf der einen Seite Gegenstand der allgemeinen Haushaltsmittel wird, auf der anderen Seite das Land Hessen gleichzeitig eine Stiftung errichtet, die mit einem Stiftungskapital in Höhe von 100 Millionen € ausgestattet wird. Diese 100 Millionen € macht diese Stiftung zu einer der wirklich großen Stiftungen unseres Landes. Diese Stiftung hat den Sinn sicherzustellen, dass mit ihren Erträgen die Wissenschaftler die Forschung betreiben können, für die sie z. B. keine Einigung mit einem privaten Betreiber finden können. Es wird sichergestellt sein, dass es selbst dort, wo es Schnittstellen gibt – – Wir können nicht bestreiten, dass es bei der klinischen Forschung am Ende Schnittstellen gibt, an denen ein Privater sagt: Das will ich nicht. Es ist nicht auszuschließen, dass das eintritt, denn Schnittstellen gibt es heute auch. Zwischen der kaufmännischen Geschäftsführung eines Klinikums und den Professoren und Ordinarien hat es anständige Diskussionen darüber gegeben, wofür der Staat als Kaufmann Geld hat, das er als Staat dem Wissenschaftler gibt. Diese Debatte ist heute in Gießen und in Marburg transparenter, sie ist allerdings keineswegs neu. Bisher hat sie zur Unterdrückung oder aber zur Beförderung wissenschaftlicher Tätigkeit beigetragen und sie wird es in Zukunft tun. Wir koppeln die Wissenschaft ein Stück mehr von der Betriebswirtschaft ab.
Wenn man die Mindestverzinsung zugrunde legt, werden pro Jahr 4 Millionen Euro dabei herauskommen. 2 Millionen Euro werden garantiert von den anderen kommen, sodass wir mindestens 6 Millionen Euro, wahrscheinlich aber mehr als 6 Millionen Euro pro Jahr mehr für wissenschaftliche Forschung haben werden. Zwei Drittel davon werden garantiert unabhängig von jedem privaten Betreiber sein, weil sie aus unseren Quellen kommen und damit vom Staat dauerhaft für die Region Gießen und Marburg zur Verfügung gestellt werden.
Wir haben neben der Frage der formalen Strukturen auch die Frage nach den finanziellen Ressourcen beantwortet und dargelegt, woher wir die notwendigen finanziellen Mittel bekommen, das auszugestalten.
Das ist der Rahmen, in dem das auf Hunderten von Seiten und in Hunderten von Paragraphen vertraglich abzusichern ist. Die wesentlichen Elemente – wer ist derjenige, der den Zuschlag erhält, wer investiert mehr, die nominalen Kaufpreise sind sehr nah beieinander, das wissenschaftliche Konzept hat ein bestimmtes Prä in der Frage von Freiheit von Hochschule und Lehre – sind die Grundlagen dafür, dass wir es für geboten und richtig hielten, einen solchen Zuschlag zu erteilen.
Als wir am Samstag den Zuschlag erteilt haben, bedeutete das zweierlei. Erstens haben wir uns in dem Bieterverfahren verpflichtet, ab dem Zeitpunkt des Zuschlags bestimmte unternehmerische Entscheidungen nicht mehr zu treffen, es sei denn, sie finden die Zustimmung dessen, dem wir zuschlagen. Das hat seine Logik, das ist banal, denn der Bieter ist seit der notariellen Beurkundung seines Kaufangebotes verpflichtet, das wahrzunehmen, was an dieser Stelle geschieht, wie wir ihm die Klinika übergeben. Deshalb hat er ein Recht darauf, dass die Sache nicht verschlechtert wird.
Auf der anderen Seite sind wir in der Situation, dass wir so schnell wie möglich an dieser Stelle eine Klarheit der Verhältnisse haben wollen unter dem Gesichtspunkt, wie der neue Betreiber mit dem Betrieb umgeht. Wir haben uns deshalb entschieden, von allen Beteiligten zu erwarten, dass sie zur Geschäftsbesorgung bereit sind. Diese Geschäftsbesorgung beginnt Anfang kommenden Jahres, sobald die neue GmbH rechtlich eingetragen ist, die aus einer Anstalt des öffentlichen Rechts eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung macht. So ist es hier beschlossen worden.
All dies geschieht, bevor der Haushaltsausschuss und der Hessische Landtag das nächste Mal zusammentreten. Das ist aus der Logik der Transaktion nach unserer Einschätzung zwingend, weil es nicht sein kann, dass zwischen der rechtlichen und unternehmerischen Bindung, nichts mehr zu tun, solange wir nicht zugeschlagen haben, und der Tatsache, dass dort an jedem Tag gearbeitet werden muss, kein leerer Raum entstehen darf.
Deshalb besteht – bei allem Verständnis für die Diskussion, die hier geführt worden ist, die man je nach Sichtweise politisch erklären mag – die Notwendigkeit, dass wir dem Landtag sagen, dass wir gewisse Fakten schaffen, die nicht ganz einfach wieder zur Seite zu räumen sind, sondern die logische Entwicklung eines solchen Bieterverfahrens sind, in dem sich eine getroffene Entscheidung beim Übergang von der einen zur anderen Stufe verfestigt.
Sie von der Opposition gehen dankenswerterweise immer davon aus, dass wir hier im Parlament die Mehrheit haben. Das ist in Ordnung. Wenn aber das Parlament eingreifen und verhindern will, dass sich dieses Verfahren erheblich verfestigt, hätte es eigentlich nur heute eine Chance dazu, sonst ist das Verfahren wieder ein Stück weit fester. Wenn Sie das nächste Mal eingreifen wollen, dann haben Sie zwar die Chance, nein zu sagen, dann ist der Schaden aber wesentlich größer, als er es heute wäre. Das ergibt sich aus der Logik des Verfahrens mit jedem weiteren Tag nach dem Zuschlag. Das ist ein Stück weit der Unterschied zwischen einem privatrechtlichen Verfahren und den öffentlich-rechtlichen Verfahren, die wir hier normalerweise zu behandeln haben. Da begegnen sich die Welten halt so wie bei Forschung und Klinik.
Deshalb ist es aus meiner Sicht richtig, zu einem frühen Zeitpunkt die Frage zu stellen, ob die Richtung richtig ist, und sich im Parlament eine Meinung dazu zu bilden. Ich glaube mit dem, was ich vorgetragen habe, kann man – unterstellt, wir finden nichts anderes in den Verträgen und Sie können zu jedem Zeitpunkt nein sagen – erklären: „Okay, geh weiter“ oder „Geh nicht weiter“.
Wir gehen weiter. Ich glaube aber, dass es nicht unlegitim ist, zu sagen: Das kann durchaus mit parlamentarischer Begleitung geschehen. Das war, wenn ich es richtig sehe, die Motivation der Unterrichtung. Es bleibt dabei, dass am Ende der Haushaltsausschuss – oder, wenn das jemand will, neben dem Haushaltsausschuss auch der Landtag – in einer solchen Frage abschließend entscheidet. Richtig ist aber: Wir sind zu diesem Zeitpunkt wieder ein Stück weiter, nicht irreversibel weiter, aber ein Stück weiter. Würde z. B. der Landtag, demokratietheoretisch ist auch das möglich, sagen: „Wir wollen das Verfahren stoppen“, dann wäre es auch dem Bieter gegenüber sehr viel fairer, das Verfahren heute zu stoppen, als das später zu tun. Diese Entscheidung wäre vernünftiger. Das ist die Motivation, zu sagen: Zu diesem Zeitpunkt macht es Sinn, und es ist richtig, im Parlament darüber zu sprechen, ob der Weg, den die Regierung gehen will, prinzipiell geht oder nicht geht. – Dazu muss man am Ende als Parlamentarier eine Meinung äußern. Das tut man mittels Beschluss.
Das sind die Randbedingungen. Ich will abschließend zweierlei tun. Ich will erstens eine prinzipielle Bemerkung machen. Viele von der Opposition habe am Anfang gesagt – das habe ich in der Zeitung gelesen, das hat die Opposition heute nicht so laut vernehmbar dargestellt –: Ihr bekommt für die Klinik nichts. – Jetzt bekommt das Land Hessen, jetzt bekommen die Bürger eine Menge dafür – an Investitionen, an Geld, an sonstigen Transaktionen. Jetzt heißt es: Das können die nie verdienen. – Das sehen offensichtlich viele Menschen anders. Wenn ich die Kursentwicklung des genannten Unternehmens ansehe, muss ich sagen: Es ist keine Panik ausgebrochen, um das vorsichtig zu formulieren. Das heißt, wir sind durchaus an einem Punkt, wo die Beteiligten und die anderen Klinika wissen, dass dieser Betreiber nicht unvernünftig ist. Mehr werden wir allerdings in Zahlen nie nachrechnen können. Das gilt in jeder unternehmerischen Konzeption. Das macht auch Sinn, denn wir wissen genau, was der eine und was der andere gut kann.
Aber eines steht fest: Den Preis darf man nur bezahlen, wenn man am Ende eine Universitätsklinik betreiben will. Wenn man Betten in einem normalen Krankenhaus betreiben will, dürfte man diese Konzeption nicht wählen. Das bedeutet, der Bieter, den wir ausgewählt haben, muss – bei der Investition, bei dem Preis – ein vitales, ein wirklich existenzielles Interesse daran haben, eine Universitätsklinik wissenschaftlich erfolgreich zu führen. Er hat kein Interesse daran – dafür lohnt sich eine solche Investition nicht –, ein normales Krankenhaus zu führen, sondern er muss beweisen, dass er mit seinem „Flagschiff“ – so heißt es in der Presse – in der Lage ist, wissenschaftliche Ergebnisse auf internationalem Niveau zu produzieren, indem er Rahmenbedingungen für eine freie Wissenschaft schafft. Er weiß, das hat er ausdrücklich gesagt, dass keine angestellte Forschungsabteilung auch nur annähernd so effizient sein kann wie eine Wissenschaftsabteilung, die man in Freiheit forschen lässt und der man einen ökonomischen Rahmen lässt, sodass sie frei forschen kann. Das ist die Philosophie, mit der diese Klinik in Zukunft betrieben werden soll.
Da scheiden sich rechts und links des Ganges in Wahrheit die Geister. Wir sind davon überzeugt, dass es eine Kombination zwischen öffentlich gesichertem Interesse und privater Fähigkeit, Erträge zu erwirtschaften, gibt, die dazu führt, dass die Qualität der Wissenschaft und die Qualität der Patientenversorgung besser ist, als sie der Staat mit seinen Mitteln gewährleisten kann und in der Vergangenheit gewährleistet hat. Die Kollegen auf der anderen Seite des Ganges glauben, dass staatliche Leistungen prinzipiell besser sind, qualitativ gesicherter und bürgernäher seien als die Leistungen von Privaten.
Wir glauben, dass es dafür keinen Beweis gibt. Wir haben im Gegenteil die Sorge, dass es zu viele Beweise dafür gibt, dass es andersherum richtig ist. Deshalb wollen wir eine Situation schaffen, mit der man einen solchen Zustand erreichen kann.
Erlauben Sie mir eine abschließende Bemerkung, weil sonst auch darüber diskutiert wird. Das Verfahren, das die Hessische Landesregierung hier gewählt hat, ist ein sehr kompliziertes und komplexes mit der großen Schwierigkeit, dass die Exekutive gegenüber der Legislative einen Vorsprung bekommt, den das Parlament in vielen Detailfragen, wenn überhaupt, nur mit größter Mühe einholen kann. Das, was diejenigen, die auf Rechnung der Landesregierung als Beraterinnen und Berater tätig waren, in den letzten Monaten verhandelt haben, ist für uns alle uneinholbar. Das gilt auch für das Kabinett, das gilt für uns alle.
Dieser Prozess ist aber politisch gesteuert worden. Wir haben als Kabinett gesagt: Wir können das nicht gemeinsam tun, aber es ist eine Aufgabe, die nicht in einem einzelnen Ressort beheimatet ist. Beteiligt waren deshalb das Ministerium für Wissenschaft und Kunst, das die Federführung hat, und die anderen Ministerien, deren Zuständigkeitsbereiche betroffen sind.
Wir haben z. B. die Krankenhausplanung. Die Absicherung durch die Krankenhausplanung ist ein wesentliches Element der Sicherung der Tätigkeiten, die in Gießen und Marburg in Zukunft ausgeübt werden. Manche Dinge kann man nur über die Krankenhausplanung steuern, nicht durch noch so geschickte Konstruktionen im Bereich von Wissenschaft und Forschung.
Wir führen eine der schwierigsten und kompliziertesten Finanztransaktionen durch, die es in diesem Lande jemals gab. Das ist der Grund dafür, dass ich heute am Pult stehe. Wir haben eine Arbeitsgruppe des Kabinetts gebildet, zu der der Kollege Udo Corts und sein Staatssekretär, die die Federführung hatten, Frau Kollegin Lautenschläger für den Bereich des Sozialministeriums und Herr Staatssekretär Arnold für das Finanzministerium angehörten Diese Arbeitsgruppe hat eine Unmenge Arbeit, gelegentlich auch eine Menge kniffliger Diskussionsprozesse mit uns, mit anderen, untereinander und mit den Betreibern gehabt und hat dieses Verfahren in einer vorgegebenen Zeit durchgeführt. Vorgegebene Zeiten sind kein Selbstzweck, aber für die Solidität und Seriosität eines Geschäftspartners ist die Einhaltung und die Fähigkeit der Einhaltung von Zeiten ein durchaus wichtiges Gut.
Die Arbeitsgruppe hat das hinbekommen. Deshalb will ich mich bei Udo Corts und allen anderen Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich dafür bedanken, wie sie diesen Prozess an dieser Stelle geführt und begleitet haben.
Jeder einzelne hat einen wichtigen Beitrag geleistet, ohne den wir das Ergebnis insgesamt nicht erreicht hätten. Das sage ich stellvertretend für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Landesverwaltung, die im letzten halben Jahr oft nichts anderes getan haben, als sich mit diesem Projekt zu befassen.
Zum Schluss: Wir sind sicher, dass wir damit Mittelhessen eine neue Perspektive eröffnen, nämlich die Perspektive, den größten Arbeitgeber im Bereich der Medizin auch in einer sich ändernden wirtschaftlichen Umgebung behalten zu können. Im Gegenteil, wir wollen die neue, jetzt fünftgrößten Universitätsklinik der Bundesrepublik Deutschland in Gießen und Marburg auf ein Niveau bringen, sodass sie in einer europäischen Liga und auch darüber hinaus mitspielen kann, weil sie jetzt endlich die Voraussetzungen dafür bekommen, dieses Niveau tatsächlich zu erreichen.
Wir zeigen damit: Wir sind bereit, neue Wege zu gehen, nicht übermütig, durchaus mit Zeit, aber auch nicht so, wie man das vom Staat früher gewohnt war, dass so lange gewartet wurde, bis alle anderen vorbeigezogen sind. Das Verfahren hat ein Jahr lang gedauert. In einem privatwirtschaftlichen Unternehmen wäre das eine inakzeptable Zeit für ein solches Geschäft. Im öffentlichen Verantwortungsbereich, mit Beratungen im Parlament und mit Gesetzesänderungen, ist das eine ungewöhnlich kurze Zeit.
Deshalb ist es das richtige Maß der Dinge, das jetzt zusammenzuführen. Ich bedanke mich auch bei denen, die in der Diskussion im Parlament daran mitgewirkt haben. Ich fordere diejenigen auf, die aus prinzipiellen Gründen dagegen sind, die das nachlesen müssen oder von ihren parlamentarischen Geschäftsführern gesagt bekommen, die vor Ort – das trifft die Sozialdemokraten ein deutliches Stück mehr als die GRÜNEN – alles in ihrer Macht Stehende getan haben, um die Menschen zu verunsichern, um Ängste zu schüren, um Fragen zu stellen, die längst beantwortet waren, immer mit dem Ziel, möglichst viel Zweifel zu säen:
Ich sage Ihnen, lesen Sie in den nächsten Wochen, was Sie lesen wollen – da Sie der Regierung prinzipiell nichts glauben. Aber geben Sie am Ende der von einer Mehrheit getroffenen Entscheidung eine Chance – ohne Tausende von Menschen, von denen es nicht jeder individuell beurteilen kann, permanent in neue Ängste und Unsicherheiten zu stürzen. Mit diesen Tagen sind die Arbeitsplätze in Gießen und Marburg sicherer geworden, nicht unsicherer.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Chancen, dass Mediziner nach Gießen und Marburg wollen – übrigens bleiben die meisten Medizinerarbeitsplätze hessische –, sind größer geworden. Die Chancen, dass es in Zukunft dort neue Wissenschaftsfelder gibt, die zu den Leuchttürmen, die wir schon haben, eröffnet werden, sind erstmals überhaupt begründet worden – wenn man es in Relation zu den wirtschaftlichen Ressourcen setzt, die wir bei der staatlichen Situation derzeit leider Gottes zur Verfügung haben.
Deshalb ist dies ein guter Tag für Mittelhessen und ein guter Tag für Hessen, weil wir eine solche Entscheidung treffen konnten.
Ich bitte um Verständnis: Nach der Diskussion heute Nachmittag wollte ich das unter Strapazierung der Redezeit Ihnen in der notwendigen Ausführlichkeit darstellen. – Vielen herzlichen Dank.