Sehr geehrte Damen und Herren,
wir wissen, dass wir in Zukunft mehr wissen werden. Wir wissen, dass wir in der Lage sein werden, komplexere Systeme zu managen, als wir sie heute haben. Wir wissen, dass es immer mehr Menschen gibt, die in ihrem täglichen Leben darauf trainiert sein werden, mit einer Vielzahl von Informationen und ihrer Verarbeitung fertig zu werden, wenn die Informationen angemessen aufbereitet werden. Wir wissen also, dass wir sowohl auf der Seite der Technik, als auch auf der Seite des Nutzers eine Basis finden werden, komplexere Informationssysteme anzunehmen und diese auch als einen Impuls für Steuerung zu empfinden.
Das bedeutet für uns auch, dass wir nicht erst 2015 damit anfangen dürfen, über neue Informationssysteme nachzudenken, sondern schon jetzt, denn heute ist eine Stauwarnmeldung im Radio ja gelegentlich auch so zu verstehen: Da kannst du gerade drauf fahren, alle anderen sind inzwischen weg, und der Stau ist wahrscheinlich geräumt. Ob Staumeldungen hilfreich sind, hängt also davon ab, wo ich gerade bin. Und die Meldung, die mir gegeben wird, die über halb Deutschland ausgestrahlt wird, sagt über mein Verhältnis zu dem gemeldeten Stau in aller Regel relativ wenig. Das kann man ändern.
Es hilft mir auch nichts, nur zu wissen, was auf der Autobahn geschieht. Ich muss auch wissen, was passiert, wenn ich unmittelbar auf die Nebenstrecken abfahre. Das kann man ändern.
Es würde ein Auto wertvoller machen, wenn es diese Dinge kann. Gleichzeitig vereinfacht es die Entscheidung für Wohn- oder Standorte, in einer Region zu leben, wenn ich mich auf das Verkehrsgeschehen vorbereiten kann. Wir müssen aber auch einen öffentlichen Raum schaffen, in dem solche Informationen genutzt und handelbar werden. Deshalb sind wesentliche Initiativen, die wir mit dem Projekt „Staufreies Hessen 2015“ angehen, mit der Lösung von zwei Fragen verbunden:
Die eine Frage, die ich mir stelle, ist: Wie können wir auf eine vernünftige, preiswerte und valide Weise Informationen sammeln über das, was auf unseren Straßen wirklich vorgeht? Natürlich wollen wir am Ende einen Plan haben, in dem wir bei jeder relevanten Straße sehen, ob der Verkehr rollt, er zähflüssig ist oder steht.
Diesen Plan wollen wir nicht nur für bestimmte Autobahnabschnitte, sondern für einen großen Teil unseres gesamten Straßennetzes haben. Wir wollen damit beginnen, dass Computer errechnen können, wie wahrscheinlich die Zahl der Fahrzeuge ist, die in der nächsten Stunde auf dieser Straße sein werden. Denn das wiederholt sich fast jeden Tag. Wir wollen versuchen zu errechnen, wie viele Autos Strecke X verkraften kann und um wie viel eine andere Straße wahrscheinlich belastet sein wird. Wir wollen herausfinden, wie man es schafft, dass wir gemeinsam einigermaßen schnell zum Ziel kommen. Später müssen wir entscheiden, wie ein Einzelner das Recht hat, diese Informationen zu nutzen: Ob er dafür Geld bezahlt. Ob er es kostenlos bekommt. Ob er vielleicht, wenn er für die Informationen Geld bezahlt, schneller informiert wird. Ob das ein Geschäft der Rundfunkanstalten ist oder ein Geschäft von privaten Providern. Ob das ein Geschäft der Automobilindustrie ist oder ob sich das Geschäft auf einem neuen Segment völlig anders entwickelt. Ob man über Handy empfängt und deshalb das Autoradio dazu gar nicht mehr braucht. Oder ob man das Handy ins Auto einspeisen muss, um es mit der Technik im Auto zu verbinden.
Die Informationen müssen so an den Fahrer gebracht werden, dass ihm nicht schwindlig wird und er im Kreis fährt. Man muss sich tatsächlich darauf verlassen können. Vielleicht macht es Sinn, Menschen schon am Tag vorher zu bitten, uns zu sagen, wo sie hinwollen, damit wir sie einplanen können, damit wir Zeit haben, Verkehrsflüsse zu steuern, für Lastwagen zum Beispiel. Wir müssen uns überlegen, wie wir es schaffen, den zu belohnen, der uns diese Informationen am Tag zuvor gibt, weil er es uns damit einfacher macht, den Stau zu bewältigen oder zu verhindern, im Vergleich zu dem, der spontan eine Fahrt im Straßensystem eines Ballungsraumes unternimmt.
Dies alles sind Fragen, auf die man im Augenblick als Antworten ein paar Visionen, ein paar technische Antworten in einzelnen Punkten haben kann, aber keine Komplettlösung. Deshalb ist es auch ein System, das vernetzt noch an keinem Platz existiert.
Und wieder müssen wir vorne anfangen. Wir sind stolz darauf, eine Verkehrszentrale hier in Hessen zu haben, die eine Leistungsfähigkeit und auch schon heute eine Effizienz hat, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland einmalig ist. Wir sind darauf ausgerichtet, dass wir mit mehr Informationen auch einen noch größeren Erfolg haben können. Und wir glauben, wir können auch das zu einer Technologie machen, die an vielen anderen Plätzen der Welt immer wieder gebraucht wird und die für diejenigen, die sie erstellt haben, für die Zukunft ein wesentliches, auch wirtschaftliches Gut sein kann.
Wir haben mit dem Projekt DIANA begonnen, in welchem wir versuchen, mit Hilfe der Kommunikation über das Handy und das Auto möglichst viele Informationen über verschiedene Straßenabschnitte zu bekommen. Wir starten zunächst mit hundert Autos, weil wir es nicht gleich wie bei der Maut bei allen Lastwagen mit den bekannten Ergebnissen einführen wollen. Wir haben die Hoffnung, dass es besser funktioniert, wenn man diese Technologie in Schritten entwickelt. Aber wir gehen auch davon aus, dass, wären es am Ende 30.000 DIANA-Fahrzeuge, sicherlich viele davon aus dem gewerblichen Verkehr kommen würden. Dann hätten wir ein Lagebild, das ohne jeden Zweifel zu jeder Sekunde, an jeder Stelle eine absolut verlässliche Information generierte. Das ist aus heutiger Sicht ja fast „an der Wolke geschoben“. Aber eigentlich kennen wir alle wesentlichen technischen Voraussetzungen dafür: Und das ist der erste Teil. Bevor ich mir überlege, welche Informationen ich verbreiten will, sollte ich mich der Frage nähern, ob ich diese Information überhaupt aufbereiten kann. Wir glauben, das geht.
Wir wissen heute, dass niemand zukünftig daherspaziert kommt und sagt: „Ich hätte gerne ein System fürs Auto. Wenn ich aussteige, hätte ich gerne eines für den Zug. Und wenn ich da aussteige, hätte ich gerne eines noch für den Fußgänger. Und dann brauche ich noch mal ein System, wenn ich einen großen Gebäudekomplex betrete, um zu wissen, wie ich an die richtige Stelle komme.“ Das ist eine Art von Nutzerverhalten, das auf den ersten Blick überraschend und abenteuerlich, auf den zweiten aber dauerhaft sicherlich nicht sehr durchsetzungsfähig ist.
Deshalb ist mit einem Stichwort wie COX (Communication and Orientation eXpert) als Verkehrslotsendienst schon ein weiterer Schritt getan. Es könnte sein, dass man dieses handliche Gerät, das gleichzeitig das Telefon sein kann, mit einem Dienst vernetzen kann, der möglicherweise alle Informationen zusammen trägt. Ziel ist, mit einem Gerät alles zu steuern – möglicherweise bis in den Laden, bis ins Parkhaus, bis ins Büro, bis ins eigene Haus und bis zur Steuerung der Technik im Haus. Möglicherweise könnte einer der Gründe, warum man sich so etwas kaufen will, Mobilität sein – die Sicherheit, zu einer bestimmten Zeit zu einer bestimmten Stelle zu kommen.
Und schon wären wir beim zweiten Punkt: Da brauchen Sie satellitengestützte Systeme, weil Sie ja wissen müssen, wo der User mit seinem Gerät gerade ist. Und wenn wir das schon mal wissen müssen wir uns fragen, welche Informationen er möglicherweise noch haben kann. Und Sie landen nicht weit entfernt von hier bei einem Projekt, das uns großen Spaß macht – dem europäischen Satelliten gestützten Navigationssystem Galileo – und der Frage, wenn GPS einmal durch ein europäisches System ersetzt ist, ein System, von dem die Erfinder und die künftigen Hersteller und Benutzer erwarten, dass es 90 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr in Europa allein erzielen wird, wie ein solches System wiederum vernetzt und nutzbar gemacht werden kann, mit dem, was wir im Straßenverkehr an jedem Ort brauchen. Wenn man dann weiter denkt, könnte man darauf zurückkommen, dass ein großes Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen in Deutschland in diesen Tagen gerade beschlossen hat, die ersten großen Filialen mit einem funkgesteuerten Chipsystem auszustatten, um dadurch jeden einzelnen Warenfluss zu dokumentieren. Jeder von uns weiß, dass es höchst wahrscheinlich ist, dass in zehn Jahren alle relevanten Warenströme auf solchen Funksystemen aufbauen werden, so dass die Frage der Ware und die Frage des Fahrzeugs und seiner Verbindung eine immer größere Bedeutung bekommen wird. Denn es wird Zentralen geben, in denen nicht Autos fahren, sondern Pakete. Und es wird Zentralen geben, die rechnen müssen, wie schnell sie diese Pakete von A nach B bekommen. Deshalb wird man ein sehr großes Interesse daran haben, korrekte Informationen über die Verkehrswege zu bekommen.
Ich höre an dieser Stelle auf. Ich wollte beschreiben, dass wir glauben, mit den kleinen Schritten vorwärts, aber auch mit der Plattform, die wir bieten, dahin zu kommen, dass sich die treffen, die solche Ideen haben könnten. Hinzu kommt die Bereitschaft und das Investment unsererseits, damit diejenigen, die dies hier ausprobieren wollen, eine besondere Umgebung bekommen, welche für sie eine Chance bietet, dies schneller auszuprobieren. Diese Plattform bietet die Chance, schneller bekannt zu werden, als wenn es jeder Einzelne für sich an jeder einzelnen Stelle versucht. Wir können Staufreiheit erreichen und etwas für die Wirtschaft tun. Wir können ein höheres Sozialprodukt und eine höhere Wertschöpfung in unserem Raum schaffen, ohne dabei Angst haben zu müssen, zusätzliche Verkehre zu generieren. Zugleich ist dies etwas für die forschende und entwickelnde Industrie, von Hochschulen bis zu Unternehmen, damit sie eine Chance haben, Applikationen für Ideen, die manche anfänglich noch für Spinnereien gehalten haben, schneller in einer bestimmten Zone umzusetzen, wenn es dort eine Region gibt, die eine besondere Aufnahmebereitschaft für Innovation hat.
Diese Kombination der unterschiedlichen Fälle – und das ist es, was sich hinter dem Wort „Staufreies Hessen 2015“ verbirgt – kann für diejenigen, die in der Politik Verantwortung tragen, nur erfolgreich werden, wenn sie den Spagat zwischen Schlaglöchern und der mittelfristigen Frage von Privatisierungsstrategien bestimmter Verkehrswege, bis zu den dafür möglichen Rahmenbedingungen, die privaten – und da reden wir Gott sei dank dann nur über private – Technologien anzuwenden, hinbekommen, die die nächste Generation, oder vielleicht sogar die übernächste Generation von Mobilität darstellen.
Wir wollen etwas machen, was typisch Deutsch ist und was das einzige ist, was uns reich hält: Wir wollen nämlich versuchen, früher als andere komplexe Systeme zu entwickeln und zu verkaufen. Wir wollen zeigen, dass wir nicht nur ganz gut hier leben können, sondern dass wir auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass das gute Leben wirklich bezahlt werden kann – und zwar von denen, die heute und hier leben und nicht immer nur von deren Kindern. Um diese Vision zu verwirklichen, haben wir viele Unternehmen eingeladen, einige stehen inzwischen mit uns in engem Kontakt, andere sind in den vielen Workshops dabei, viele andere laden wir ganz herzlich ein mitzutun, weil wir wollen, dass dies ein immer breiterer Strom wird, der eine klare Richtung hat, der aber auf der anderen Seite offen für viel Kreativität, neue Ideen und Risikobereitschaft auf allen Seiten ist.
Ich hoffe, dass es uns gelingt mit dieser Botschaft auf dem Mobilitätskongress Freunde zu finden, die uns dabei unterstützen. Denn wie gesagt: Wir können nur den Rahmen stellen, ausfüllen müssen ihn viele andere. Und insofern bin ich Ihnen dankbar, dass Sie in einer so großen Zahl heute bereit waren, unserer Einladung zu folgen und nach dem Fachkongress „Staufreies Hessen“ heute auch hier beim Mobilitätskongress in so großer Zahl anwesend sind. Und ich hoffe, dass wir in Zukunft weiter Erfolge vermelden können, so wie wir eben gestern gesagt haben: „DIANA: Erste Stufe erfüllt, das System arbeitet, wir haben so viele Teilnehmer gefunden, wie wir gesucht haben, und wir machen uns jetzt auf die Suche nach der nächsten Generation von Partnern, um uns weiterzuentwickeln!“ Das ist der richtige Weg, und den wollen wir weitergehen. Vielen herzlichen Dank.
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